Einleitung

Die zunehmende Mobilität unserer westlichen Gesellschaft bedeutet eine Zunahme des Verkehrs auf Straßen, Schienen und in der Luft. Die Zunahme des Verkehrs hat unerwünschte Nebenwirkungen, die wir minimieren wollen. Von den Nebenwirkungen sind Nutzer des Verkehrs nicht gleichermaßen betroffen, und dies führt zu nachvollziehbaren Belästigungsreaktionen. Hier werden der Verkehrslärm und seine Wirkung auf Anwohner untersucht. Die Lärmwirkungsforschung befasst sich der Wirkung des Verkehrslärms auf Anwohner. Sie untersucht physische und physiologische Reaktionen auf Lärm, medizinische Folgen und psychische Konsequenzen wie das Empfinden von Belästigung. Seit den 1950er Jahren, mit dem Ausbau großer Verkehrswege von Straße, Schiene und Luftverkehr, wurden zahlreiche kleine und große Studien zur Lärmwirkung durchgeführt. Die Studien fokussieren häufig auf direkte und indirekte akustische sowie stressinduzierte Effekte. Im Zentrum des Interesses stehen die berichtete Belästigung sowie Auswirkungen auf das kardiovaskuläre System und auf den Schlaf. Es werden akute Effekte sowie Langzeiteffekte untersucht [14, 15]. Zusätzlich werden mehr indirekte Krankheitsindikatoren wie Medikamentenverbrauch und Inanspruchnahme des Gesundheitssystems erfasst [11, 13]. In den letzten 20 Jahren wurden mehrere multinationale Projekte zu Verkehrslärm durchgeführt [7, 9, 16]. Basierend auf den Studienergebnissen wurden Gesetze erlassen, die für einen umfassenden Lärmschutz von Anwohnern sorgen, beispielsweise das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm (Fluglärmschutzgesetz) aus 2007 [10].

In den letzten Jahren wurde besonders auf eine Zunahme des Fluglärms geachtet, da im Vergleich der Verkehrsträger gerade der Flugverkehr stark zunimmt und einige Flughäfen aus- und umgebaut werden, um den Bedarf nach steigender Mobilität zu decken. In der Summe der Auswirkungen sind vom Fluglärm im Vergleich zu Straße und Schiene deutlich weniger Menschen betroffen. Da aber der Fluglärm eigene Charakteristika hat – so kommt der Lärm überwiegend von oben –, fühlen sich Anwohner anders belästigt und beeinträchtigt. Lärmmedizinische Studien zu den Folgen von Fluglärm sind von hohem Interesse für die betroffenen Anwohner wie auch für die Verursacher von Fluglärm, wie Flughäfen, Luftfahrtgesellschaften und Flugzeugindustrie. Aktuell sind die Ergebnisse auch von Bedeutung für den Gesetzgeber, der Gesetze zum Schutz vor Lärm sachkundig begründet erlassen und gegebenenfalls überprüfen muss. Für den Schutz vor Fluglärm gilt in Deutschland seit 2007 das Fluglärmschutzgesetz, welches in Bezug auf Neu- und Ausbauflughäfen mit Auslösewerten für den Tag eine Schutzzone 1 (LAeq = 60 dB(A) außen) und Schutzzone 2 (LAeq = 55 dB(A) außen) definiert und weiterhin eine Nachtschutzzone (LAeq = 50 dB(A) und LAmax 6 * 68 dB(A) außen) [10]. Die Werte werden mit Mittelungspegeln der Schalldrucke in dB(A) angegeben. Wie in der Gesetzesspezifikation angegeben, gelten für den Nachtzeitraum zusätzlich Maximalpegelhäufigkeiten. Die im Fluglärmschutzgesetz genannten Lärmwerte berücksichtigen das Ergebnis einer Synopse zur Fluglärmwirkung von 2002 [12] und viele weitere Studien und Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung.

Die Lärmwirkungsforschung zu Fluglärm stützt sich auf zahlreiche internationale und nationale Studien, unter anderem auch auf eine Studienübersicht der WHO, die Ergebnisse aus vielen Ländern zusammenführt [26, 27]. Eine der aktuellen großen Feldstudien zu Fluglärm in Deutschland ist NORAH (Noise-Related Annoyance, Cognition and Health) mit einer Befragung im Umfeld der Flughäfen Köln, Stuttgart, Berlin-Schönefeld und Frankfurt und einer aufwendigen Untersuchungsserie bei Anwohnern am Flughafen Frankfurt. Die Ergebnisberichte sind über ein Internetportal zugänglich (www.laermstudie.de). Eine Veröffentlichung in wissenschaftlichen Zeitschriften ist teilweise bereits erfolgt, z. B. bei Seidler et al. [23], [24].

Die NORAH-Studie und zahlreiche ältere Studien befassen sich mit verschiedenen Aspekten der Lärmwirkung, die hier im Überblick dargestellt werden [18]. Ein besonderer Fokus liegt auf den Wirkungen des Fluglärms auf den Schlaf [19].

Methoden

Für die vorliegende Übersicht zur medizinischen und physiologischen Lärmwirkung wurde eine Recherche aus dem Jahr 2014 in den medizinischen Literaturdatenbanken PubMed und Medline herangezogen und für diese Übersicht aktualisiert. In der früheren Recherche war nach Studien und Übersichten zum Thema Fluglärm zwischen 1990 und 2014 gesucht worden. Die Aktualisierung umfasst Publikationen bis 2015, damit sind die Ergebnisse der NORAH-Studie, die 2015 als Berichte im Internet veröffentlicht wurden, ebenfalls einbezogen.

Methodik von Studien zur Lärmwirkungsforschung

Experimentelle Studien eignen sich besonders gut, um unter gut kontrollierten Bedingungen die Wirkung einer Größe zu untersuchen. In diesem Sinne gibt es zahlreiche experimentelle Studien, bei denen Probanden definiertem Fluglärm ausgesetzt wurden. Besonders zahlreiche experimentelle Studien gibt es zur Wirkung von Fluglärm auf den Schlaf. In diesen Studien wurde auch eine Gewöhnung untersucht, indem Probanden mehrere Nächte hintereinander den Lärmereignissen ausgesetzt wurden [3]. Es wurden Dosis-Wirkungs-Kurven bestimmt, und es wurden quantitativ genau Stressreaktionen in Bezug auf vegetative und biochemische Reaktionen untersucht. Eine Limitation von experimentellen Studien ist die Auswahl der Probanden, denn es werden oft junge gesunde Probanden untersucht, und damit fehlt eine Repräsentativität. Dem stehen Feldstudien gegenüber, bei denen entweder an kleinen Gruppen aufwendige Untersuchungen mit Schlafuntersuchungen und Blutuntersuchungen zuhause oder Befragungen großer Gruppen durchgeführt werden, bei denen an Teilgruppen Untersuchungen z. B. zum Gesundheitszustand und zum Blutdruck vorgenommen werden. Weitere Möglichkeiten sind die Auswertung von Registern wie den Sterberegistern, die Erhebung von Medikamentenverbrauch bei Apotheken oder die Auswertung von Arztbesuchen und Krankenkassendaten. Große Feldstudien und epidemiologische Übersichten geben Aufschluss über statistische Zusammenhänge und Risiken und lassen weniger eine individuelle Vorhersage zu. Eine Limitation von Feldstudien ist, dass mögliche regionale Besonderheiten (andere Belastungen sozialer Art oder der Umwelt oder der Lebensgewohnheiten), die einen Einfluss haben können, mitunter gar nicht erfasst wurden.

Ergebnisse

Belästigung
Große Aufmerksamkeit erfahren die Zusammenhänge zwischen Fluglärmexposition und Selbstangaben zum Ausmaß der empfundenen Belästigung durch den Fluglärm, die sich in Expositions-Wirkungs-Kurven darstellen lassen. Bereits in den 1970er-Jahren wurde vereinfacht abgeschätzt, dass maximal ein Drittel der Belästigungsreaktion durch die akustischen Faktoren aufgeklärt werden kann. Auf diese hat sich die Forschung lange Zeit konzentriert. Bartels et al. zeigten 2015 in der COSMA-Studie, dass akustische Faktoren nur 13,7 % der Belästigung erklären und die Anzahl der Überflüge wichtiger ist. Ein entsprechend erweitertes Modell erklärte dann 27,6 % der Belästigung [2].

Neuere Expositions-Wirkungs-Beziehungen zeigen höhere Belästigungen bei niedrigeren Pegeln als ältere Studien. Das komplexe und dynamische Beziehungsgeflecht zwischen akustischen und nichtakustischen Faktoren, wie der Einstellung der betroffenen Personen zur Lärmquelle selbst sowie weiteren Belastungen und Belästigungen, konnte bislang nicht geklärt werden. Es fehlen ein ganzheitlicher Ansatz und ein Modell, welches die Wirkungen von Exposition auf die Belästigung und deren Interaktionen betrachten. Die NORAH-Studie im Umfeld des Frankfurter Flughafens zeigt hier einen ausgeprägten Effekt nichtakustischer Faktoren auf die berichtete Belästigung [21]. Der Zusammenhang zwischen der Lärmbelästigung und Indikatoren des Flugbetriebs selbst (Anzahl an Flugbewegungen, Lärmpegel) ist recht gering ausgeprägt und teilweise auch widersprüchlich: Trotz eines Rückgangs der Flugbewegungen ist der Anteil hoch belästigter Personen im Vergleich zu einer Vorläuferbefragung deutlich angestiegen. Insofern bekräftigt die NORAH-Studie den Bedarf nach einem neuen und umfassenden Modell zum Verständnis der Belästigungswirkung.

Herz-Kreislauf-Belastungen

Eine herausragende Frage der Lärmwirkungsforschung sind die Parameter des Herz-Kreislauf Systems. Hier werden in erster Linie Risikofaktoren für die häufigen Erkrankungen untersucht. Im Allgemeinen kann Lärm, und somit auch Verkehrslärm, eine Belastung für das Herz-Kreislauf-System bewirken. In vielen internationalen Studien wurde der Zusammenhang zwischen Fluglärmbelastung und – als Marker für Herz-Kreislauf-Erkrankungen – einem erhöhtem Blutdruck untersucht [1, 15]. Es liegen zahlreiche Studien vor, die einen Zusammenhang mit einer statistisch gesicherten Signifikanz nachweisen; dabei waren jedoch häufig nur Subgruppenergebnisse signifikant, z. B. für Männer einer höheren Altersklasse oder für Personen, die über einen viele Jahre andauernden Zeitraum lärmexponiert waren. Ebenso liegen aber auch Studien vor (so die aktuell publizierte NORAH-Studie), die den Zusammenhang nicht statistisch sichern konnten. In der NORAH Studie wurden Probanden mit Bluthochdruck zu Studienbeginn ausgeschlossen, und daher ist die Aussage des nicht statistisch signifikanten Zusammenhangs zu relativieren – sie bezieht sich auf das untersuchte Teilnehmerkollektiv. Die Wirkung auf den Blutdruck ist von der Höhe und Dauer der Lärmexposition abhängig. Die Stärke des Zusammenhangs variiert stark mit dem Studiendesign und der Auswahl der Teilnehmer. Entsprechend bleibt ein breites Konfidenzintervall für eine Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen Lärm und Blutdruckerhöhung bestehen. Dadurch lassen sich die Unterschiede zwischen den Studien erklären.

Die NORAH-Studie hat ein sehr sorgfältiges Studiendesign zur Erfassung des Blutdruckes gewählt [8]. Es wurde mit einem automatisch messenden Blutdruckgerät zuhause jeweils zur gleichen Tageszeit selbst gemessen, und die Ergebnisse wurden direkt an ein Datenzentrum übermittelt. Die Teilnehmer wurden sehr sorgfältig ausgewählt und Personen mit Bluthochdruck und anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen ausgeschlossen. Dadurch wurde eine mögliche Beeinflussung der Messung durch störende Faktoren sehr niedrig gehalten. Die Ergebnisse der NORAH-Studie im Umland des Flughafens Frankfurt/Main liegen im Bereich der Konfidenzintervalle, die von den früheren Studien bereits angegeben wurden. Insofern stellen die Ergebnisse der NORAH-Studie keinen Wiederspruch zu den früheren Studien dar. Konkret wird für die NORAH-Studie kein signifikanter Zusammenhang zwischen einer Fluglärmexposition und dem sorgfältig gemessenen Blutdruck nachgewiesen. Es fand sich in der NORAH-Studie nur ein statistischer Trend bezüglich eines zunehmenden Risikos bei zunehmender Lärmexposition. Unbestritten ist, dass das Ausmaß eines Effekts von der Höhe der Fluglärmbelastung abhängig ist.

Weiterhin belegen die Ergebnisse, dass an verschiedenen Flughäfen unterschiedlich deutliche Zusammenhänge ermittelt wurden. Auch das zeigt wieder die beträchtliche Bandbreite der Ergebnisse auf. Ferner zeigt sich laut einer Studie in stärker durch Fluglärm belasteten Regionen ein etwas erhöhter Gebrauch von Herz-Kreislauf-Medikamenten. Bei sehr starker Fluglärmbelastung werden Herz-Kreislauf-Erkrankungen häufiger diagnostiziert (Wahrscheinlichkeit nimmt um 25 % pro 10 dB(A) zu). Ein Kausalitätsnachweis wurde hier wie auch in anderen Studien mit epidemiologischem Ansatz naturgemäß nicht geführt.

Die Auswertung der sekundärdatenbasierten NORAH-Fallkontrollstudie zeigte im Vergleich der drei Verkehrsträger statistisch signifikante Risikoanstiege bei Straßen- (2,8 % pro 10 dB Pegelanstieg) und Schienenverkehrslärm (2,3 % pro 10 dB Pegelanstieg), nicht jedoch bei Fluglärm [22, 23]. Nur bei Begrenzung der Stichprobe auf die bereits Verstorbenen sind die Risikokennziffern für die Verkehrsträger ähnlich. Hier sehen die Autoren weiteren Forschungsbedarf [23].

Schlaf

Wirkungen auf den Schlaf wurden in zahlreichen Studien untersucht und in Übersichtsarbeiten zu verschiedenen Zeitpunkten zusammengefasst [4]. Es wird zwischen primären oder akuten Wirkungen von Fluglärm auf die Schlafqualität (Aufwachreaktionen, Zunahme von Bewegungen des Körpers im Schlaf, Länge einzelner Schlafphasen), sekundären oder zeitlich verzögerten Wirkungen (Tagesschläfrigkeit, Beurteilung der Schlafqualität) und tertiären oder Langzeitwirkungen (kardiovaskuläre oder metabolische Folgen) unterschieden. Die bisherigen Studien konzentrieren sich auf die primären und sekundären Wirkungen. Denn die tertiären Wirkungen sind schwer zu erfassen, weil hier andere Wirkmechanismen im Vordergrund stehen können.

Die sorgfältigste und wissenschaftlich am besten abgesicherte Untersuchung des Schlafes erfolgt mit der kardiorespiratorischen Polysomnographie im Schlaflabor. Somit handelt es sich dabei um eine experimentelle Studie in kontrollierter Umgebung, bei der nachts Geräusche definierter Schalldrucke und Dauer abgespielt werden.

Es ist auch eine kardiorespiratorische Polysomnographie im Rahmen von Feldstudien in der häuslichen Umgebung möglich. Allerdings findet diese meistens ohne akustische und Videoüberwachung statt. Die Schlafbedingungen sind dabei nicht mehr einheitlich, was Bettausstattung, Raumtemperatur und weitere Personen im Schlafzimmer angeht. Dadurch ergibt sich einerseits eine natürlichere Umgebung, aber andererseits gibt es viel mehr den Schlaf beeinflussende Faktoren.

Nach der Schlafaufzeichnung werden die gespeicherten Signale visuell von dafür ausgebildetem Fachpersonal nach den Regeln der American Academy of Sleep Medicine (AASM) ausgewertet [5]. Es werden in 30-Sekunden-Epochen die Schlafstadien für die gesamte Aufzeichnung bestimmt. Daraus werden anschließend zusammenfassend Schlafzeiten, Prozente der Schlafstadien, Latenzen, Wachphasen während der Schlafzeit, Arousal und Wechsel von Schlafstadien berechnet. Diese Werte können mit Referenzwerten verglichen werden, wobei es bisher allgemein verbindliche Referenzwerte nicht gibt. Es gibt jedoch einige Metaanalysen zum Schlaf gesunder Probanden, die herangezogen werden können [20]. Die dort ablesbaren Werte für etliche Schlafparameter hängen vom Alter, dem Geschlecht, dem Arbeitsrhythmus und weiteren Faktoren ab. Je nach Ausmaß der Lärmexposition ist die Wirkung auf einzelne Werte der Schlafauswertung gering. Ein plausibler Parameter der Schlafauswertung ist die Aufwachwahrscheinlichkeit. Experimentelle Studien konnten zeigen, dass die Aufwachwahrscheinlichkeit mit zunehmender Lärmexposition ebenfalls zunimmt.

In der NORAH-Studie wurde der Schlaf sehr aufwändig in der häuslichen Umgebung bei ausgewählten Probanden für drei bis vier Nächte mit Polysomnographie untersucht [19]. So konnten die gleichen Parameter wie in einer experimentellen Schlaflaborstudie berechnet werden. Es zeigte sich in der NORAH-Studie eine steigende Aufwachwahrscheinlichkeit mit zunehmender Exposition. Zudem zeigten die Ergebnisse der ergänzend durchgeführten Befragungen, dass die Einstellung der Probanden gegenüber dem Flughafen einen modifizierenden Einfluss auf die Schlafqualität hat. Dem Flughafen gegenüber kritisch eingestellte Untersuchungsteilnehmer zeigten eine objektiv schlechtere Schlafqualität Die Aufwachwahrscheinlichkeit in der Feldstudie blieb etwas geringer als in experimentellen Studien.

In der älteren experimentellen Schlafstudie zeigte sich eine normale mittlere Aufwachhäufigkeit von 24,4 ± 9,3 Ereignissen pro Nacht [3]. Von diesem Wert ausgehend bedeutet eine Zunahme der Aufwachwahrscheinlichkeit um 5 % bei 10 dB(A) Zunahme der Lärmbelastung ein bis zwei Aufwachereignisse mehr. Diese Zunahme befindet sich im Bereich der natürlichen Streuung, und die klinische Bedeutung ist unklar. Die Kausalität des Zusammenhangs zwischen verminderter Schlafqualität und Lärm ist bisher noch nicht geklärt.

Weitere physische Wirkungen

Unter den weiteren physischen Wirkungen ist die Fluglärmwirkung auf Stresshormone, auf das Cortisol, eine naheliegende Untersuchungszielgröße. In experimentellen Studien wurde Cortisol systematisch bestimmt [3]. Dabei fanden sich keine signifikanten Zusammenhänge zwischen Lärmbelastung und Cortisol. Für extreme Fluglärmbelastung, wie sie durch militärischen Tiefflug entsteht, ist ein deutlicher Zusammenhang mit der Ausschüttung von Stresshormonen nachgewiesen. Für Lärmpegel, die im zivilen Luftverkehr gefunden werden, sind diese Befunde in verschiedenen Studien uneinheitlich, und es wurden keine statistischen Signifikanzen nachgewiesen.

Eine weitere Frage bezieht sich auf eine direkte Beeinträchtigung des Hörvermögens durch Fluglärm. Die wenigen Studien, die das Hörvermögen untersuchten, zeigen keine nachweisbare Einschränkung. Aufgrund der üblicherweise in der Umgebung ziviler Flughäfen auftretenden Maximalpegel sind Hörschäden auch nicht zu erwarten.

Weitere psychische Wirkungen

Über die unmittelbare Belästigung hinaus wurden in mehreren Studien weitere psychische Wirkungen untersucht [27]. Es wurden dafür das Auftreten psychischer Erkrankungen und kognitive Einschränkungen untersucht. Insgesamt gesehen ist die Befundlage zum Zusammenhang zwischen Fluglärm und psychischen Erkrankungen wenig statistisch belastbar. Frühere Studien konnten keine eindeutigen Zusammenhänge nachweisen. Die NORAH-Studie legt einen Zusammenhang zwischen Verkehrslärm und dem Auftreten von Depressionen nahe [24]. Dieser Zusammenhang zeigt sich für den Fluglärm stärker als für Schienen- oder Straßenverkehrslärm. Dieser vergleichsweise neu identifizierte Befund muss in weiteren Studien genauer betrachtet werden. In der NORAH-Studie wurde der Einfluss anderer Faktoren auf das Auftreten von Depressionen nicht untersucht, daher muss eine Interpretation dieses Befundes mit Zurückhaltung vorgenommen werden [24].

Als durch mehrere Studien gesichert wird angesehen, dass Fluglärm einen geringen, aber messbaren Einfluss auf die Leselernfähigkeit von Kindern hat [6, 7, 25]. Nach starker Reduktion des Lärms, wie er durch den Umzug eines Flughafens auftritt, scheint dieser Effekt reversibel zu sein. Die NORAH-Studie zeigt für den Einzugsbereich des Frankfurter Flughafens, dass das Leseverständnis von Kindern mit zunehmender Höhe der Belastung mit Fluglärm statistisch signifikant abnimmt [17]. Die Fluglärmeffekte sind im Vergleich zu anderen Einflüssen auf das Leseverständnis, wie Deutschkenntnisse der Kinder oder Anzahl der Kinderbücher im Haushalt, geringer.

Diskussion

Bei der Interpretation der beobachteten Wirkungen ist zu erkennen, dass die derzeitige Belastung durch Fluglärm sich von den Belastungssituationen in den Studien mit länger zurückliegender Datenerfassung deutlich unterscheidet. So sind die Lärmemissionen der einzelnen Flugzeuge in den letzten zwanzig Jahren deutlich zurückgegangen. Maßnahmen an den Flugzeugen und an den Flugrouten haben dazu beigetragen, den Fluglärm zu reduzieren. Parallel dazu haben die Flugbewegungen in ihrer Zahl stark zugenommen und dadurch auch wieder der summarisch erfasste Fluglärm. Ferner haben sich die akustischen Charakteristika in Bezug auf die Frequenzen und die Zahl exponierter Personen verändert. Die verschiedenen festgestellten Wirkungen werden heute differenzierter untersucht und interpretiert. In direkter Nähe von Flughäfen sollten nicht mehr Wohnungen gebaut werden. Das Fluglärmschutzgesetz sieht auf der Grundlage strenger Lärmwerte Schutzzonen vor, innerhalb derer den Betroffenen umfangreiche Ansprüche auf Erstattung von Schallschutzaufwendungen und Entschädigungen zustehen.

Zur Untersuchung der Wirkung von Fluglärm werden weiterhin sowohl experimentelle als auch epidemiologische Studien durchgeführt. Bei epidemiologischen Studien ist zu beachten, dass der Beitrag des Fluglärms je nach untersuchter Wirkvariable im Vergleich zu anderen Risikofaktoren unterschiedlich ausfällt. Zudem können keine Kausalitäten bestimmt werden. Die nachgewiesenen Wirkungen des Fluglärms aus epidemiologischen Untersuchungen sind unbedingt ernst zu nehmen. Unserer Ansicht nach ist es aus medizinischer Sicht zu begrüßen, dass mit dem Fluglärmschutzgesetz von 2007 ein Regelwerk vorliegt, welches die Lärmschutzbelange der Bevölkerung auch angesichts der seit 2007 gewonnenen Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung umfassend und angemessen berücksichtigt. So treten die gefundenen Fluglärmwirkungen im Wesentlichen oberhalb der in diesem Gesetz festgelegten Lärmwerte auf, die einen Schallschutzanspruch auslösen. Alle am Flugverkehr und den Flughäfen Beteiligten sollten den Lärmschutz der betroffenen Bevölkerung dennoch weiterhin als eine wichtige Aufgabe ansehen.

Aus den gesammelten Ergebnissen folgt, dass Fluglärm zu körperlichen und psychischen Reaktionen führen kann, aus denen sich unter Umständen Krankheiten entwickeln. Diese Reaktionen nehmen mit steigenden mittleren Schalldrucken im Sinne einer Dosis-Wirkungs-Beziehung zu. Daneben spielen die Stärke und Anzahl der einzelnen Spitzenpegel, die jeweiligen Geräuscheigenschaften und die Tageszeit der Geräuschereignisse sowie die persönliche Verfassung der Personen eine wichtige Rolle.

Fußnoten

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