Einleitung

Wer sich mit dem Thema Flugrouten und Flughafenplanung befasst, befasst sich mit einem in der aktuellen luftrechtlichen und planungsrechtlichen Diskussion recht prominenten Paar, mit einer allgemein als heikel empfundenen Beziehung. Diesem Paar geht es wie vielen prominenten Paaren. Der Beobachter und der gut gemeinten Ratschläge gibt es viele (1) - zu viele. Alle wissen, was man tun sollte, um die Beziehung richtig zu führen oder zu verbessern. So wird eine umfassende Öffentlichkeitsbeteiligung für Flugrouten gefordert - wie bei der Planfeststellung von Flughäfen. Am besten sollen Flugrouten schon im Planfeststellungsbeschluss festgelegt werden und später nur ausnahmsweise verändert werden. Die Flugrouten sollen einer umfassenden Lärmabwägung nachfolgen, auch unterhalb der Schwelle unzumutbaren Lärms und sollen den Lärmschutz und insbesondere den Nachtlärmschutz zum zentralen Ziel haben.

Wie so oft, sind aber gut gemeinte Ratschläge noch lange nicht wirklich gut oder ratsam. Sie verfehlen Funktion und Zusammenspiel von Planfeststellung und Flugverfahren. Die Beziehung zwischen Flughäfen und Flugrouten funktioniert schon jetzt - ohne Korrektur von außen - gar nicht so schlecht, wie viele vermuten.

Im Folgenden sollen nacheinander zunächst das Flugverfahren (II.), dann die Flughafenzulassung (III.) betrachtet werden. Hiernach soll die neueste Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu dieser Liaison in den Blick genommen werden (III.). Die richtigen Schlussfolgerungen zum Novellierungsbedarf (IV.) lassen sich auf dieser Grundlage fundierter ziehen. Der geneigte Leser wird dann hoffentlich zustimmen, dass man von schwerwiegenden Einmischungen in die im Wesentlichen intakte Beziehung von Flughäfen und Flugverfahren lieber die Finger lassen sollte.

I. Flugverfahren

1. Ausgangspunkt
Bevor man sich Gedanken macht, wie die Dinge geregelt werden sollten, sollte man schauen, wie die Lage eigentlich ist. Schein und Sein fallen oft - und auch hier - auseinander. Und deshalb ist es nötig, sich die Rechtsgrundlage von Flugverfahren einmal anzuschauen. Das beginnt schon bei der korrekten Bezeichnung „Flugverfahren" - nicht „Flugrouten". Denn es sind Flugverfahren, nicht Flugrouten. Die maßgebliche Regelung steht in § 27a LuftVO.

  • Sein Absatz 1 lautet:
    (1) Soweit die zuständige Flugverkehrskontrollstelle keine Flugverkehrskontrollfreigabe nach
    § 26 Abs. 2 Satz 2 erteilt, hat der Luftfahrzeugführer bei Flügen innerhalb von Kontrollzonen, bei An- und Abflügen zu und von Flugplätzen mit Flugverkehrskontrollstelle und bei Flügen nach Instrumentenflugregeln die vorgeschriebenen Flugverfahren zu befolgen.

Etwas vereinfacht formuliert, heißt es also:
Soweit der zuständige Fluglotse keine Einzelweisung (Freigabe) erteilt, hat der Pilot insbesondere bei An- und Abflügen zu den Verkehrsflughäfen und bei Flügen nach Instrumentenflugregeln die vorgeschriebenen Flugverfahren zu befolgen.

  • Absatz 2 Satz 1 lautet:
    Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung wird ermächtigt, die Flugverfahren nach Absatz 1 einschließlich der Flugwege, Flughöhen und Meldepunkte durch Rechtsverordnung festzulegen.

In diesen Absätzen verbergen sich die Funktion und die Eigenschaften des Flugverfahrens , die häufig in der Diskussion nicht ernst genug genommen werden. Die Vorschrift besagt, der Luftfahrzeugführer hat das Flugverfahren zu beachten, wenn er vom Fluglotsen nichts anderes vorgegeben bekommt. Es ist subsidiär zur Lotsenweisung. Und es wird als Rechtsverordnung , also durch eine abstrakt generelle Rechtsnorm festgelegt. Es dient generell dem Instrumentenflug, insbesondere bei An- Abflügen zu großen Flughäfen. Es wird ohne förmliche Bürgerbeteiligung, ohne vorherige Auslegung des Plans von einer zentral zuständigen Bundesoberbehörde erlassen. Bundesoberbehörden sind typischerweise Fachbehörden mit relativ schlankem Verwaltungsapparat und spezieller Sachkompetenz (2), auch das hier zuständige Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) mit Sitz in Langen bei Frankfurt.

Seit einigen Jahren sieht das Gesetz für Flugverfahren, ,,die von besonderer Bedeutung für den Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm sind", hierneben die Beteiligung des Umweltbundesamts (UBA) vor (§ 32 Abs. 4c LuftVG). Bei solchen Flugverfahren hat sich das BAF mit dem UBA ins Benehmen zu setzen, bevor es die Verordnung erlässt. Ein Forum zur öffentlichen Diskussion um Flugrouten vor Ort ist jeweils die örtliche Fluglärmkommission, der allerdings keine entscheidende, sondern nur die allgemein in § 32b LuftVG beschriebene beratende Funktion zukommt.(3) Das Bundesaufsichtsamt und die Deutsche Flugsicherung (DFS) sind bei Sitzungen der örtlichen Fluglärmkommission regelmäßig anwesend, soweit dies zweckmäßig ist.

Hieraus folgt: Ein Flugverfahren ist also nach dem Gesetz keine Flugroute, sondern ein Verhaltensstandard. Ein Standard nicht für jedermann, sondern nur für den Piloten, der es zu beachten hat, - nicht für den Lotsen. Der Lotse kann anderes vorgeben. Das Flugverfahren ist instrumententauglich. Das heißt, es kann in das Flight Management System der Luftfahrzeuge einprogrammiert und automatisiert abgeflogen werden. Es ist also ein technischer computertauglicher Standard. Entsprechend unverständlich ist es auch für Unbeteiligte - es verstehen eigentlich nur ausgebildete Luftfahrzeugführer und Computer.

Derart charakterisiert, ist das Flugverfahren schon etwas ganz anderes als das, was man sich bei dem Wort „Flugroute" vorstellt. Den Begriff „Flugroute" sucht man im Gesetz vergebens. So etwas wie eine „Route" ist im Gesetz allenfalls ein Teilaspekt des Flugverfahrens, nämlich, soweit dieses von „Flugweg", ,,Meldepunkten " und „Flughöhe" als exemplarischen Elementen eines Flugverfahrens spricht (§ 27a Abs. 2 LuftVO).

2. Entstehung der Rechtsprechung zu Flugverfahren
Es war lange Zeit keinesfalls selbstverständlich, dass Bürger und Gemeinden gegen Flugverfahren klagen konnten. Das ist erst im Jahre 2000 durch Richterrecht eingeführt worden.(4) Letztlich hat man erkannt, dass hier eine Rechtsschutzlücke bestand. Denn die Flugverfahren als Standards können natürlich dazu führen, dass Verkehr gebündelt wird. Je häufiger sie geflogen werden, desto geballter tritt der Verkehr auf Diese Folge von An- und Abflugverfahren liegt ja sehr nahe und ist auch Realität an allen größeren Flugplätzen mit Flugverkehrskontrollstelle. Und wo Verkehr bei An- und Abflügen konzentriert wird, da konzentriert sich auch der Schall als Immission. Anwohner und Gemeinden, die meinen, sie würden grundlos verlärmt, obwohl es viel bessere Flugwege gäbe, müssen dies vor Gericht bringen können. Das entschied das Bundesverfassungsgericht. (5) Das Bundesverwaltungsgericht setzte diese Vorgabe um und erklärte die Feststellungsklage für zulässig. (6)

Als Anknüpfungspunkt für solche Klagen nutzte das Gericht das Willkürverbot des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) und die allgemeine Verpflichtung aller Luftfahrtbehörden auf den Schutz der Bevölkerung vor unzumutbarem Fluglärm hinzuwirken (§ 29 b Abs. 2 LuftVG). Hierneben betonte es, dass die Flugverfahrensfestlegung ein räumlich planerisches Element beinhalte . Hieraus folge, dass es sich um eine Abwägung handele, die überprüfbar sei.(7) Gleichzeitig betonte das Gericht, dass der Verkehrsanfall nicht durch die Route bestimmt würde, sondern vorgegeben sei. Das Flugverfahren solle den bereits zugelassenen Verkehr sicher geordnet und flüssig führen. Das Flugverfahren verteile den Verkehr nur, es bewirtschafte also den Lärm .

Das war der Ausgangspunkt der Rechtsprechung. Sie wurde schnell verfeinert. Seit rund zehn Jahren ist geklärt, dass wir auch insoweit zwischen zumutbarem und unzumutbarem Lärm unterscheiden müssen .(8) Ebenso ist geklärt, dass hierfür die gleiche Abgrenzung wie im sonstigen Luftverkehrsrecht gilt, insbesondere bei den Lärmschutzbereichen nach dem Fluglärmschutzgesetz.

Die Wahl einer Route, die unzumutbaren Lärm verursacht und vermeidbar ist, bedarf einer besonderen Rechtfertigung und muss gut begründet werden. Zumutbarer Lärm oder bloße Verteilungsfälle unterliegen hingegen keinen besonderen Rechtfertigungs- und Dokumentationsanforderungen. Hier genügt jeder sachliche Grund zur Wahl der Route.(9) Ein solcher Grund kann auch in rein praktischen betrieblichen Aspekten der flüssigeren Verkehrsabwicklung liegen.

3. Vom Verfahren zur Route
Die seit 2000 richterrechtlich etablierte Klagemöglichkeit, die Rechtsprechung und eine Flugverfahrensplanung, die dieser Rechtsprechung gerecht werden wollte, führten schnell zu einer Änderung der Wahrnehmung des Themas. Bei den Taunusrouten (10), bei Routen in Düsseldorf (11), Köln (12) und Leipzig (13), dem Schwarzwaldanflug auf Zürich (14), derNordwestlandebahn (15) und beim BER (16) wurde immer heftiger über die Flugverfahren diskutiert - nicht nur, aber auch in der Fluglärmkommission, die ja immer eingeschaltet ist. Dies wiederum machte aus Flugverfahren Flugrouten, als wären es Straßen in der Luft, die geplant und verbindlich festgelegt werden.

Wie oben bereits herausgearbeitet, ist ein Flugverfahren nach dem Gesetz eigentlich nur ein Standard ist, ohne Bindung für den Lotsen, das nur als Folge eine Verkehrsbündelung bewirken kann. Demgegenüber haben das Wort „Flugroute" und der Umstand, dass Flugrouten immer transparenter geplant und öffentlich diskutiert werden, aus Flugverfahren quasi Straßenplanungen in der Luft gemacht. (17) Dabei sind sie das nicht. Die Unterlagen, die DFS und BAF für die Abwägung und Diskussion mit der Fluglärmkommission herstellen, tun ihr übriges. Sie zeigen die Topographie und die Ortschaften - naturgemäß zweidimensional - und sie zeigen die Ideallinien der Flugwege nach den Flugverfahren als rote Linien, wie eine Straße. Man kann sich diesem Bild praktisch nicht entziehen, man nimmt quasi eine Straßenkarte in der Luft wahr. Sogar der Sachverständigenrat für Umweltfragen ist diesem Irrtum erlegen. (18)

Dabei sind derartige Straßenkarten irreführend, wenn man sie nicht einzuordnen weiß. Sie zeigen nicht die Streuung der Flüge bei Nutzung des Verfahrens. (19) Sie sind nicht dreidimensional und zeigen also nicht, wie hoch ein Flugzeug sein mag, das eine Route nutzt - was ja sehr vom Steigverhalten abhängt. Sie zeigen nicht, welche Flugzeuge die Route tatsächlich nutzen werden.

Und nun kommt noch ein Effekt hinzu : Je umfangreicher die Abwägung wird, je härter das Tauziehen in der Fluglärmkommission und je stärker sich die Karten mit den roten Linien in das Bewusstsein einprägen, desto mehr wird aus dem Standard für den Piloten eine generelle Vorgabe - quasi eine Straßenwidmung des Luftraums - contra legem. Nicht mehr die Bündelung von Verkehr und Lärm erzwingt eine Abwägung - Umgekehrt, scheint die Abwägung vorzuschreiben, wo eine Bündelung erfolgen muss. Das also, was erst den Rechtsschutz nötig machte - die tatsächliche Folge einer Bündelung - wird plötzlich, ohne dass dies gesetzlich vorgegeben wäre, zur rechtlichen Forderung der Bündelung. Aus der Folgenabwägung wird quasi ein Gebot zur Route und ein Verbot hiervon abzuweichen. Das in der Tat ist etwas komplett anderes.

Derartige Thesen geistern immer wieder unausgesprochen und ausgesprochen im Raum.

Richtigerweise hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - in diesem Jahr erstmals explizit - von der These Abstand genommen, dass wiederholte Einzelfreigaben unzulässig wären (sogenannte Directs), wenn sie nicht von einem Flugverfahren gedeckt sind.21 Es gibt kein Gebot für Fluglotsen, die Flugverfahren zu benutzen, und kein Verbot, von ihnen abzuweichen .(21) Das Gesetz ist in dieser Beziehung vollkommen eindeutig. Der Lotse kann eine andere Flugverkehrskontrollfreigabe erteilen. Es steht nicht einmal das Wort „abweichend " im Gesetzestext. Denn es ist keine „Abweichung", wenn der Lotse den Verkehr nach dem jeweiligen Verkehrsbedürfnis regelt. Er bestimmt allein nach den Grundpflichten der Flugsicherung (§ 27c LuftVG), wie der an- und abfliegende Verkehr sicher, geordnet und flüssig abgewickelt wird.

Und wie weit das volkstümliche Missverständnis reicht, wird deutlich, wenn man sieht, was das Sondergutachten des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU) quasi wie einen Skandal und als evident rechtswidrig anprangert, dass von den Flugrouten gravierend abgewichen würde und der Abflug gar nicht den vorgeschriebenen Flugrouten folge.(22) Dabei stimmt das zum einen nicht und wäre auch nicht der Skandal, den der SRU zu erkennen glaubt, sondern flugbetriebliche Notwendigkeit.

Vor diesem Hintergrund stellen sich auch die lauten Proteste der Südberliner weniger als ein Problem der Routen als vielleicht als das Ergebnis eines gravierenden Fehlverständnisses dar, das ein wenig durch die faktische Entwicklung begünstigt worden ist. Hierauf wird zurückzukommen sein.

 

II. Flughafenplanung

1. Die Planfeststellung als Zulassung von Quelle und Ziel des Verkehrs

Beim Stichwort der Berliner Debatte um den BER kommen wir zwanglos zum zweiten Partner der Beziehung von Flughafen und Flugroute: dem Flughafen und seinem Planfeststellungsbeschluss. Wenn wir nach den bisherigen Ausführungen also bei Flugverfahren und Einzelweisung nur noch die Aufgabe erkennen, bereits zugelassenen Verkehr zu lenken, zu verteilen und hierbei natürlich auch auf den Lärmschutz für die Bevölkerung zu achten, so ist umgekehrt der Flughafen die Quelle und das Ziel des Verkehrs. Was läge näher, als nun bei der Planfeststellung als Zulassungsakt für den Flughafen die Routenfrage zu verankern?

Und tatsächlich werden Planfeststellung und Routenplanung teils wie Ying und Yang gesehen. Was der eine nicht tue, müsse der andere tun. Ein weit verbreitetes , aber meist unausgesprochenes Fehlverständnis, mit dem die Rechtsprechung erst jüngst - im Zusammenhang mit der Frage der Umweltverträglichkeitsprüfung - aufgeräumt hat, war dann auch das Bild von Flughafenplanung und Flugroutenplanung als einer zweistufigen Planung, die erst mit dem Abschluss, der Flugroutenplanung komplettiert sei.(23)

Auch hier läuft manches falsch und wirkt das irreführende Bild der „Flug-Routen" fort. Defizite, die man in der Flugverfahrensplanung und dem Rechtsschutz zu erblicken glaubte, werden nun auf die Ebene der Planfeststellung gehoben. Schließlich gehe es bei Flugverkehr und Flughafenplanung immer zentral um Lärm . Der Lärm entstehe durch den Verkehr, und die Flugroute entscheide, wo der Lärm ankomme. Folgerichtig müsse doch, wenn die Flugroute nicht mehr über die Verkehrszulassung entscheide, schon der Planfeststellungsbeschluss über die Flugroute entscheiden.

Nun ist die Flugroute, wie gezeigt, gar keine Route, sondern ein Flugverfahren, ein Standard, der nur den Piloten bindet und nur subsidiär zur Lotsenweisung gilt. Auch erweist sich, dass Flugverfahren einem ständigen Wandel unterliegen. Flugverfahren werden sehr häufig geändert. (24) Dies kann technische Gründe haben, an Änderungen im internationalen Flugwegenetz liegen, an verändertem Fluggerät und veränderten Navigationseinrichtungen, an unterschiedlichen Nutzungsanforderungen, Destinationen, Zeiten etc. So gab es 2002/2003 mit Einführung der Taunusrouten einen kompletten Wechsel der Routenstruktur in Frankfurt, ohne dass sich die Planfeststellung auch nur einen Strich geändert hatte. Die Belegung der Routen ändert sich abhängig von den Verkehrsbedürfnissen. Das operative Betriebskonzept des Flughafens kann Änderungen unterliegen. Schließlich sind immer wieder Initiativen zum Lärmschutz - etwa auf Anregung der Fluglärmkommission oder in Frankfurt etwa des Forums Flughafen und Region - Anlass zur Erprobung neuer An- und Abflugwege - z. B. der sogenannte Segmented Approach(25), die Diskussion um einen CDA oder CDO(26) (Continous Descent Approach) oder das Verfahren Point Merge(27).

Ob also wirklich das Planfeststellungsverfahren, das mit der Zulassung der Flughafeninfrastruktur, insbesondere der Pistensysteme der richtige Platz für eine Festlegung und Verfestigung für Flugverfahren ist? Man kann hieran zweifeln. Schließlich geht die Planfeststellung der Inbetriebnahme des Flughafens um Jahre voraus. Sie würde einen Planungsstand vom grünen Tisch weg zementieren.

Auch Gesetz und Rechtsprechung sehen eine derartige Bindung nicht vor - sehr zu recht, wie ich zeigen möchte.

2. Rechtsprechung ist eine andere
Die Gesetzeslage und die Rechtsprechung gehen einen anderen Weg. Die Flugverfahrensplanung ist keine Verfeinerung der Planfeststellung. Die Planfeststellung ist keine „Ermächtigung" für Flugroutenverläufe.

Aus den gesetzlichen Regelungen ist ersichtlich, dass unterschiedliche Akteure handeln und unterschiedliche Ziele verfolgt werden. Zuständig für die Planfeststellung ist die Planfeststellungsbehörde des Landes. Die Flugverfahrensplanung wird hingegen bundesweit vom Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung gemacht, unterstützt von der Deutschen Flugsicherung (DFS). Die DFS lenkt den Verkehr. Eine förmliche Verschränkung der Verfahren gibt es nicht.

Seit jeher betont die Rechtsprechung, dass die Planfeststellung nicht über die Flugverfahren entscheidet. Sie können sich ändern.

Auch wenn die Planfeststellung die Flugrouten nicht regelt, braucht man für eine Planfeststellung eine Flugroutenprognose. Man nennt dies die „Grobplanung" von Flugrouten.(28) Sie hat prägende Wirkung für die Planfeststellungsunterlagen und die fachplanerische Abwägung. Die Grobplanung der Flugrouten für ein Planfeststellungsverfahren hat aber eine andere Funktion als ein Flugverfahren.

Eine Planfeststellung hat alle betroffenen privaten und öffentlichen Belange, die gegen und für das Vorhaben sprechen, zu ermitteln und einer Abwägung zuzuführen. Es geht zentral um die generelle Bewältigung der Verkehrsauswirkungen.(29) Hierfür werden die unterschiedlichsten Prognosen angestellt - beginnend mit Schallprognosen, Luftschadstoffprognosen, die Bewertung von Absturzrisiken etc. Derartige Auswirkungsbetrachtungen legen Flugverfahrensprognosen zugrunde, um ein Bild davon zu bekommen, was die Folgen der Zulassung des Flughafens oder seines Ausbaus sein werden. Für derartige Zwecke werden Flugpläne, Flugverteilungen und Flugverfahren möglichst realistisch prognostiziert. Hierzu gehört eine Flugverfahrensprognose, auf deren Grundlage dann eine realistische Folgenbetrachtung vorgenommen werden kann.

Nach ständiger Rechtsprechung ist diese Grobplanung nicht verbindlich. Sie muss aber realistisch sein - auch wenn nachher andere Routen festgelegt werden.(30) Die Planfeststellungsbehörde kann die Routen nicht selbst prognostizieren, weil sie hierfür weder zuständig noch fachlich kompetent ist. Deshalb beteiligt die Planfeststellungsbehörde die DFS oder das BAF und stimmt mit diesen Fachbehörden eine realistische Grobplanung ab. Letztlich ist aber eine derartig vorabgestimmte Grobplanung nur eine Prognose eines möglichen Flugverfahrensmodells , nicht schon das Flugverfahrensmodell selbst. Dieses Vorgehen hat die Rechtsprechung immer schon betont.(31) Und es ist die logische Konsequenz der Trennung zwischen Flugverfahren und Flugverkehrszulassung.

Besonders schmerzhaft haben dies die Südberliner erlebt, Sie waren nach der Beendigung der Prozesse um die Planfeststellung zum ersten Mal mit den wirklichen Planungen für Flugverfahren des neuen BER konfrontiert. Viele waren davon ausgegangen, dass die in den Planfeststellungsunterlagen gezeichneten Ideallinien einer Grobplanung von Flugverfahren auch die endgültigen Flugverläufe bezeichneten. Es war ein - medial allerdings auch geschürtes - hartes Erwachen, als man erkennen musste, dass die Routen aus flugbetrieblichen Gründen einen anderen Verlauf nehmen würden, als angenommen . Die Klagen die erneut gegen die Planfeststellung, auf Wiederaufnahme des Verfahrens und auf nachträgliche Beschränkungen der Planfeststellung zielten, hatten sämtlich keinen Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht wies alle diese Klagen ab und verwies darauf, dass die Grobplanung noch keine verbindliche Planung sei und dies auch hätte erkannt werden können.(32)

In der Tat wäre dies jedenfalls für den Rechtskundigen erkennbar gewesen. Und hätte nicht das Bild der Flugstraße und hätten nicht die eingezeichneten Linien in den Landkarten die Erwartungen von Bürgern und Gemeinden fehlgeleitet, wäre das Aufwachen weniger unsanft gewesen. Allerdings sind sowohl die Erwartungen als auch deren Enttäuschung bislang nur virtueller Natur. Aller Protest und alle Beschwerden basieren bis heute noch auf der Vorstellung von Lärmbetroffenheiten - schließlich ist der Flughafen bis heute noch nicht eröffnet. Den Verkehr, dessen Lärm beklagt wird, gibt es noch gar nicht.

Das Bundesverwaltungsgericht hat gerade den Berliner Klägern sehr deutlich gesagt, dass in der Nähe eines Flughafens - auch jenseits der sogenannten Grobplanung - generell mit Flugverkehr zu rechnen ist. Es spricht von einem Einwirkungsbereich, der zu berücksichtigen ist. Jeder ist klagebefugt, der in einem Einwirkungsbereich wohnt, in dem Flugverfahren erwartet werden können.(33)

3. Tabuzonen und Planerisches Konzept
Natürlich kann es sein, dass örtliche Besonderheiten, die Siedlungsstruktur oder die Natur in der Umgebung eines Flughafens Verkehr und seine Folgen nicht überall in gleichem Maße zulassen. Es kann Ergebnis einer Abwägung über einen Planfeststellungsantrag sein, dass ihm nur dann stattgegeben werden kann, wenn der Verkehr bestimmte Gebiete verschont. Derartige Erwägungen werden insbesondere für die Lage, die Ausrichtung der Pisten ausschlaggebend sein, können aber auch sonstige Elemente der Planung betreffen. Und eine derartige Abwägung mag auch zur Folge haben, dass Flugverfahren, die verkehrstechnisch wünschenswert oder praktisch sein könnten, mit ihren Verkehrsfolgen nicht vorstellbar sind ohne die Ausgewogenheit der Planung in Frage zu stellen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat zum Umgang mit derartigen Abwägungen in seinen Urteilen zum Berliner Flughafen hier einen pragmatischen Weg gewiesen. Es beschrieb genau diese Konstellation und betonte, es könne so etwas wie Tabuzonen bzw. Grunderwägungen der Planung geben, die es ausschließen, ein bestimmtes Flugverfahren zu erlassen.(34)

Dies überzeugt in der Sache. Man kann sicherlich skeptisch sein, wie eine Landesplanung, ein Verwaltungsakt einer Landesbehörde einer Bundesbehörde und deren planungsähnlichen Tun Vorgaben machen können soll.(35) Ich meine aber, dass diese Erwägungen nicht nur sachlich, sondern auch rechtlich überzeugen können, auch wenn dies in diesem Rahmen nur angerissen werden soll. Seinen Grund hat dies in der Funktion von Flugverfahren, zugelassenen Verkehr abzuwickeln und der hieraus folgenden inhaltlichen Bindung an den geplanten Verkehrsanfall.(36) Derartige planerische Erwägungen für den erwarteten und zugelassenen
Verkehrsanfall stellen keine Flugroutenplanung durch Planfeststellung dar, weder eine Grob-­ noch gar eine Feinplanung. Es kann aber im Ausnahmefall zwingende Folge der Abwägung über die Verkehrszulassung sein, dass bestimmte Verkehrskonstellationen ausgeschlossen sein müssen. Das ist dann als planerische Grundkonzeption der Verkehrszulassung bei der Flugverfahrensfestlegung zu beachten.

Natürlich müssen derartige Erwägungen einen entsprechend deutlichen Niederschlag in der Planfeststellung finden. Sie können von der von der Planfeststellungsbehörde nicht frei geschöpft werden. Sie ist für die Luftraumplanung nicht zuständig und muss die Zuständigkeit des Bundesaufsichtsamts achten und auch den Raum für die Flugverfahrensfestlegung grundsätzlich wahren. Nur sich aufdrängende und schwerwiegende Aspekte können derartige planerische Pfeiler einer Flughafenzulassung darstellen.

Umgekehrt kann die Planfeststellung - bei realistischen und abgestimmten Grobplanungen ­- grundsätzlich darauf vertrauen, dass das Bundesaufsichtsamt später nicht ohne Not belastendere Routen wählt. Davor schützen schließlich schon das Abwägungsgebot und das Willkürverbot bei der Flugverfahrenswahl sowie die strengeren Abwägungsmaßstäbe bei höheren Lärmbelastungen (s.o.).

III. Neueste Rechtsprechung

Das Recht der Flugverfahren ist in Bewegung. Hiermit sind nicht die neuesten Gesetzesvorschläge oder die Gutachten des Sachverständigenrats für Umweltfragen gemeint(37), die zu Recht teils heftig kritisiert werden, sondern die höchstrichterliche Rechtsprechung. Sie hat das Recht der Flugrouten jüngst in mehreren Urteilen fortentwickelt.(38) Zum Teil lagen die schriftlichen Urteilsgründe bei Redaktionsschluss noch nicht vor. Diese Urteile präzisieren das bisherige Recht und ordnen Flugroute und Flughafenplanung der gesetzlichen Konzeption entsprechend und führen durchweg zu angemessenen Ergebnissen.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte sich insbesondere mit drei Themenkomplexen zu befassen. Die Antworten des Gerichts hierzu bestätigen die bisherige Rechtsprechung und zeigen, dass auch neue Fragestellungen mit dem gewachsenen System sachgerecht bewältigt werden können.

Es ging einmal um die Frage, ob für Flugrouten eine Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig ist. Dann ging es um die Frage, ob die Planung von Flugrouten eine FFH­ Verträglichkeitsprüfung durchführen muss, wenn ein Natura-2000-Gebiet unter der Route liegt. Beide Fragen sind mit der Differenzierung zwischen dem Fachplanungsakt Planfeststellung und der Verkehrslenkungsregelung Flugverfahren angemessen zu lösen. Es ging drittens um die Frage, ob Flugverfahren zum Lärmschutz auch Optimierungen des planfestgestellten Flugbetriebssystems zugrundelegen können bzw. müssen. Hier stellte sich die Frage, ob Flugverfahren zur Verfeinerung der Fachplanung taugen.

Alle drei Urteile befassten sich mit dem Verhältnis von Flugverfahren und Flughafenplanung und lösten die jeweilige Aufgabe sachgerecht im geltenden Recht.

1. Umweltverträglichkeitsprüfung
Der Bau und die Änderung von Flughäfen bedarf nach §§ 3, 3b Abs. 1 Satz 1 bzw.
 3e Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. Nr. 14.12 der Anlage 1 zum UVPG ab einer Pistenlänge von 1.500 m immer der Umweltverträglichkeitsprüfung. So stellte sich die Frage, ob auch die Flugroutenplanung oder -änderung bei derartigen Flughäfen einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfen - insbesondere dann, wenn die Flugrouten von den Vorstellungen der Planfeststellung abweichen.

Genau dies vertraten jüngst verschiedene Klagen zum neuen Berliner Flughafen. Sie meinten, es handele sich um eine zweistufige Planung. Die Grobplanung des Flughafens erfolge mit der Planfeststellung. Wenn die konkrete Flugroute und ihr Lärm noch nicht im Planfeststellungsbeschluss auf ihre Umweltauswirkungen geprüft worden sei, so müsse die Flugverfahrensplanung als zweite Stufe der Planung dies nachholen. Auf dieser Basis gab es übrigens auch eine Beschwerde an die Europäische Kommission, die wegen einer angenommenen Verletzung der UVP-Richtlinie die erste Stufe eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet hat.(39)

Diese Auffassung verwarf das Bundesverwaltungsgericht trotz des eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens der EU-Kommission.(40) Die Flughafenplanung ist mit der Planfeststellung abgeschlossen. Die Planung von Flugverfahren ist keine zweite Stufe der Flughafenplanung, sondern verkehrstechnische Bewältigung des bereits umfassend zugelassenen Verkehrs.

Das ist auch richtig so - in der Planfeststellung findet eine umfassende planerische Abwägung statt, mit allen Aspekten und mit einem Beteiligungsverfahren, das auch die Öffentlichkeitsbeteiligung einer Umweltverträglichkeitsprüfung umfasst. Insoweit wird künftig im Rahmen der Auslegung, Erörterung und Abwägung möglichst noch deutlicher herauszustellen sein, dass nicht allein die Grobplanung der Flugverfahren den einzig möglichen Weg der Flugzeuge abbildet, sondern dass überall - unter dem Vorbehalt der sachgerechten und möglichst lärmschonenden Verteilung - mit Verkehr und mit Flugrouten und Einzelfreigaben zu rechnen ist. Hierauf bezieht sich auch die UVP-Pflicht.

Hat - so das Bundesverwaltungsgericht - die Planfeststellung nach sachgerechter Auslegung bewusst einen Bereich ausgespart, weil es zur planerischen Konzeption gehört, dass dort kein Verkehr zu erwarten ist, so wird hieraus folgen, dass dort auch keine Flugverfahren geführt werden dürfen. Fehlt es dann an einer UVP, kann auch das Flugverfahren die UVP nicht nachträglich nachholen. Eine UVP hat dem Planungsakt vorauszugehen, d. h. der Flughafenplanung.

Die Flugroute selbst ist nur noch Verkehrslenkungsmaßnahme, keine Flughafenplanung. Sie unterliegt selbst in keinem Falle der UVP-Pflicht. Dies entspricht auch der europäischen Judikatur, nach der als Bau oder Änderung nicht rein betriebliche Änderungen angesehen werden können.(41)

2. FFH-Pflicht
Weiter ging es um die Frage, ob ein Flugverfahren eine FFH-Prüfung notwendig machen kann. Nach § 34 BNatSchG müssen Projekte, die die Erhaltungsziele eines Natura-2000- Gebiets erheblich beeinträchtigen können, einer entsprechenden Verträglichkeitsprüfung unterzogen werden. Im Falle einer erheblichen Beeinträchtigung muss über eine Ausnahme nach Maßgabe des europäischen Umweltrechts entschieden werden. Die Einzelheiten brauchen hier nicht zu interessieren.

Nun denkt man, dieses Erfordernis kann ja nicht anders entschieden werden als bei einer UVP. Und in der Tat spricht hierfür auch manches - und ich denke, dies lässt sich auch überzeugend vertreten. Das Bundesverwaltungsgericht geht einen geringfügig anderen Weg.(42) Auch hier betont es, dass die grundsätzliche Prüfung der FFR-Verträglichkeit Sache der Planfeststellung ist. Bei der Flughafenplanung muss bereits in den Blick genommen werden, ob Natura-2000-Gebiete beeinträchtigt werden können, ob Ausnahmen erforderlich sind und wie der Ausgleich für ausnahmsweise zulässige Beeinträchtigungen zu gewährleisten ist.

Aber überraschenderweise entschied das Bundesverwaltungsgericht, wenn es an einer solchen Prüfung fehle, dann sei es - anders als bei der UVP - Sache der Flugverfahrensplanung, diese nachzuholen.(43) Dies passt durchaus zu den obigen Ausführungen zum Verhältnis von Flugverfahren und Flughafenplanung. Die Planung - das sei hier erneut in Erinnerung gebracht - hat mit der Zulassung des Flughafens ein Ende. Das Flugverfahren lenkt nur noch den Verkehr und ist selbst keine Zulassung von Verkehr. Sie führt aber als standardisierte Verkehrslenkung zu Verkehrsbündelungen. Insoweit kann eine derartige Bündelung- im strengeren Regime des FFH-Rechts - zugleich als Projekt angesehen werden, das Auswirkungen auf die Schutzziele eines FFH-Gebiets haben kann. Dann ist auch eine FFH­ Prüfung gefordert, soweit sie nicht schon planerisch zuvor berücksichtigt ist.

Das BVerwG zeigt hier eine pragmatische Lösung auf: Grundsätzlich ist die Planfeststellung und ihre FFR-Prüfung ausreichend. Sie bleibt es auch, wenn das Flugverfahren später abgeändert wird. Fehlt es an einer FFR-Prüfung des konkreten Verkehrsprojekts Flugverfahren muss geprüft werden, ob die FFR-Prüfung der Planfeststellung auf die jetzige Betroffenheit übertragbar ist. Auch in einem solchen Falle genügt es, auf die frühere Prüfung zu verweisen. Fehlt es indes an einer solchen Übertragbarkeit, so muss das Flugverfahren, bevor es die Bündelung des Verkehrs zulasten eines FFR-Gebiets bewirkt, die Beeinträchtigung aufklären und ggf eine Abweichungsprüfung vornehmen.

3. Betriebssystem und Flugverfahren
Schließlich hat das Bundesverwaltungsgericht vor wenigen Wochen zu Einzelfragen der Lärmverteilungsmaßstäbe im Bereich unzumutbaren Fluglärms entschieden. Die klagende Gemeinde, deren Kernsiedlungsgebiet unter dem Endanflug des künftigen Berliner Großflughafens bei Ostbetrieb liegt, wollte verhindern, dass dasselbe Gebiet auch bei Abflügen im Westbetrieb überflogen wird. Sie wehrte sich dagegen, dass dasselbe Gebiet ohne Lärmpausen sowohl durch Anflüge als auch durch Abflüge überflogen wird. Sie machte die Belastung mit unzumutbarem Fluglärm geltend. Aus diesem Grunde griff sie die Abflugrouten bei Westbetrieb an, die praktisch auf derselben Ideallinie geführt werden, die auch für Anflüge bei Ostbetrieb genutzt wird.

Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung bestritt nicht die Betroffenheit der Klägerin. Es zeigte aber auf, dass in dem zugelassenen Betriebssystem des Flughafens - einem unabhängigen Parallelbahnbetrieb - andere, weniger belastende Flugverfahren nicht möglich sind. Hier stehe unzumutbarer Lärm gegen anderen unzumutbarem Lärm.

Das Bundesverwaltungsgericht(44) bestätigte wie schon die Vorinstanz(45) die Abwägung für den Verkehr am Tage als rechtlich nicht zu beanstanden.(46) Es kann im Einzelfall hinzunehmen sein, dass eine Bündelung zu Verkehr bei An- und Abflügen auf derselben Linie führe, auch wenn dies planerisch unzumutbaren Lärm zur Folge hat. Es ist nicht in jedem Falle eine Streuung geboten, wie sie etwa mithilfe der Flugverfahren zur Südumfliegung gegenwärtig in Frankfurt angestrebt wird. Auch aus der Planfeststellung kann derartiges nicht abgeleitet werden.

Das Gericht ließ nicht gelten, dass ein lärmoptimierter Flugbetrieb stundenweise vorstellbar sei. Wenn der Planfeststellungsbeschluss einen bestimmten Flugbetrieb zulässt, der zeitlich oder sachlich nicht beschränkt ist, ist es nicht zu beanstanden, dass die Flugverfahren auch darauf zielen, genau für dieses Betriebssystem Standardverfahren zur Verfügung zu stellen.

Dies macht die Flugverfahren auch insoweit nicht unverhältnismäßig, als nicht zu jeder Zeit ein derartiges Betriebssystem genutzt werden muss. Flugverfahren sind danach auszurichten, den geforderten Verkehr abzuwickeln.

Umgekehrt können natürlich auch andere Flugführungen durch die Flugsicherung gewählt werden, wenn dies im operativen Betrieb zweckmäßig ist und der Sicherheit Ordnung und Flüssigkeit des Verkehrs dient. Auch sind hierauf ausgerichtete Flugverfahren zulässig. Der gegenwärtige Rechtsrahmen bewahrt hier der DFS und dem BAF den Freiraum, den Verkehr im Rahmen der umfassenden Zulassung der Planfeststellung zu regeln.

 

IV. Schlussfolgerungen

  • Flughäfen und Flugrouten sind nicht unmittelbar aufeinander bezogen und komplementär. Sie sind weder Zwillinge, noch Geschwister oder gar Ying und Yang. Sie sind verschiedene Kategorien und Instrumente, ungleiche Partner. Natürlich kann der eine ohne den anderen nicht bestehen. Es gibt eine Beziehung zwischen beiden, aber eine Beziehung auf Distanz. Sie lebt - um im Bild der guten Beziehung zu bleiben ­ davon, dass einer dem anderen die notwendige Freiheit lässt.
  • Diese Beziehung der Ungleichen lebt auch davon, dass sie nicht mit Fehlerwartungen überfrachtet wird - weder von der einen noch von der anderen Seite.
    Eine Planfeststellung kann nicht mehr Detaillierung erbringen, als eine grundsätzliche umfassende Abwägung für eine Großinfrastruktur im Raum leisten kann: die Zulassung des Verkehrs, seines Betriebs, seiner Konfiguration und die planerische Bewältigung der hierdurch ausgelösten Konflikte. Der Planfeststellungsbeschluss ist keine Verkehrsregelung. Er ist auch kein Fluglotse. Er ist auf Jahrzehnte ausgerichtet und kann nicht alle Flugbewegungen im Einzelnen vorhersagen und auch nicht, wie sinnvollerweise an einem Tag geflogen werden wird. Hierfür verbleiben Spielräume, die der Planfeststellungsbeschluss - nur wenn dies planerisch erforderlich ist - punktuell einschränken kann. Dies sollte er dann aber klar und deutlich tun. Soweit er keine bewusste Ausnahme macht, sollte er die Umwelt, ja natürlich alle Belange rund um den Flughafen in den Blick nehmen.
    Ansonsten ist bei einem Verkehrsflughafen mit Start und Landungen rund um die Pistenverlängerungen zu rechnen. Das sollten Flughafenplanfeststellungen möglichst auch immer klar ausdrücken und ist eigentlich auch jedem Anrainer klar.
  • Aber auch ein Flugverfahren sollte nicht mit rechtlichen Anforderungen und Fehlerwartungen erdrückt werden. Es ist keine Fachplanung. Ihm geht keine umfassende Beteiligung voraus und kann dies auch gar nicht. Das Flugverfahren ist ein Instrument der Verkehrssicherheit und der Verkehrsteuerung. Es optimiert die Verkehrsflüsse und ist ein Helfer des Fluglotsen, ein Standard. Ohne die Planfeststellung ist ein Abflugverfahren natürlich nicht denkbar. Es ist der geborene Partner des Flughafens, aber nicht die Fortsetzung der Planfeststellung mit anderen Mitteln. Es steht dem zugelassenen Flughafen zur Seite, so wie der Lotse dies tut.
  • Für ein gedeihliches Miteinander der beiden, aber auch im Interesse des gesamten Umfelds, ist es notwendig, dass sie beide ihre Grenzen erkennen und respektieren. Flughafenplanung und Flugverfahren müssen natürlich aufeinander Rücksicht nehmen. Aber auch Ratschläge von außen sollten die Eigenheiten der beiden Institute jeweils respektieren. Und hierzu gehört es, dass das Flugverfahren seiner Aufgabe nur dann gerecht werden kann, wenn es flexibel bleibt, wenn es vorrangig der Aufgabe der Verkehrslenkung verpflichtet wird und nicht zu einem verkappten Planungsinstrument. Das ist nicht zuletzt im Interesse der Allgemeinheit und des Lärmschutzes wichtig. Denn nur ein flexibles und handhabbares Instrument Flugverfahren bewahrt die Möglichkeit, auf Änderungen von Verkehrsströmen, Technik und sonstigen Umständen hin zu reagieren. Gerade in Frankfurt haben wir es gesehen, wo mit dem sogenannten Segmented Approach ganz neuartige Anflugmethoden ausprobiert wurden, die mit einer generellen Planungsvorgabe wahrscheinlich nicht in gleicher Weise in Angriff hätten genommen werden können. Auch ist es wichtig, dem operativen Flugsicherungsbetrieb seine Freiheiten zu bewahren - auch dies ist ganz im Sinne nicht nur der Luftverkehrswirtschaft, sondern auch des Lärmschutzes.
    Klar ist, dass der Fluglotse keine umfassenden Abwägungsüberlegungen bei seiner Einzelflugfreigabe treffen kann. Er hat genug mit der konkreten Flugsicherung zu tun. Aber die Betriebsanweisungen der DFS können natürlich hier auch Vorgaben machen und tun dies regelmäßig auch.
  • Die Vorschläge die vielerorts gemacht werden, sind also mit großer Vorsicht zu betrachten. Auch durch eine Gesetzesänderung sollte die gewachsene Beziehung zwischen Planfeststellung und Flugverfahren nicht gefährdet werden. Das gilt sowohl für die Forderung nach Auslegung und Öffentlichkeitsbeteiligung, für Wünsche an eine Formalisierung der Fluglärmkommissionsberatungen, ein Einvernehmen mit dem Umweltbundesamt oder gar der Einführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung, wie sie in Europa gerade für Flugverfahren nicht eingeführt worden ist. Auch hier gilt: Manchmal ist weniger mehr.

Fußnoten

(1) So etwa Sondergutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen, Fluglärm reduzieren: Reformbedarf bei der Planung von Flughäfen und Flugrouten, BT-Drs. 18/1375; Bundesratsinitiativen aus Rheinland-Pfalz und Baden¬ Württemberg, BR-Drs. 90/13 vom 03.02.2013 aus Hessen BR-Drs. 124/13 vom 12.02.2013 und 124/1/13 vom 30.04.2013, Brandenburg BR-Drs. 138/13 vom 21.02.2013.
(2) lbler, in: Maunz-Dürig, Grundgesetz, 72. Ergänzungslieferung, Art. 87 Rn. 252 m.w.N.
(3) Risch, in: Grabherr / Reidt / Wysk, LuftVG, 17. Ergänzungslieferung, § 27c, Exkurs Rn. 46.
(4) BVerwG, Urteil vom 28.06.2000 - 11 C 13/99.
(5) BVerwGE 111, 276 = ZLW 2001, 102 BVerfG, Beschluss vom 02.04. 1997 - 1 BvR 446/96, ZLW 1997, 376.
(6) BVerwG, Urteil vom 28.06.2000, a.a.O. (Fn. 4).
(7) S. zu diesem Ausgangspunkt auch Masing, Das Recht auf gerechte Abwägung beim Verordnungserlass, NVwZ¬ Sonderheft 2005, S. 24; ausführlich Wöckel, Festlegung von Flugverfahren - Rechtliche Grundlagen und Rechtmäßigkeitsanforderungen, Berlin 2013, S. 223 ff.
(8) BVerwG, Urteil vom 24.6.2004 - 4 C 15/03, BVerwGE 121, 152 = ZLW 2005, 115 (124).
(9) BVerwG, Urteil vom 24.6.2004 - 4 C 15/03, BVerwGE 121, 152 = ZLW 2005, 115 (125 f ).
(10) BVerwG (Fn. 8) und Urteil vom selben Tage - 4 C 11/03,juris.
(11) OVG Münster, Urteil vom 19.07.2005 - 20 D 40/04.AK; nachgehend BVerwG, Beschluss vom 07.04.2006 - 4 B 69/05.
(12) OVG Münster, Urteil vom 13. 11.2008 - 20 D 124/06.AL; nachfolgend BVerwG, Beschluss vom 05.10.2009 - 4 B 08.09.
(13) OVG Bautzen, Urteile vom 27.06.2012 - 1 C 13.08 und 1 C 14.08 sowie BVerwG, Urteil vom 19. 12.20 13 - 4 FCD 14/12, BVerwGE 149, 17.
(14) BVerwG, Urteil vom 04.05.2005 - 4 C 04.05 und 4 C 6.05, BVerwGE 123, 322 = ZLW 2005, 632(LS); EuG, Urteil vom 06.09.2010 - Rs. T-219/05, ZLW 2010, 630; nachfolgend EuGH, Urteil vom 07.03.2013 - Rs. C-547/10.P, ZLW 2013, 512.
(15) VGH Kassel, Urteile vom 17.04 .2013 - 9 C 147. 12.T, LKRZ 2013, 129 und 9 C 179. 12.T, juris; Urteile vom 01.10.2013 - 9 C 573/12.T ZLW 2014, 329 (Leitsatz) und 574/12.T, ZLW 2014, 330 (Leitsatz); Urteil vom 03.09.2013 - 9 C 323/12.T, DVBl 2014, 459 (noch nicht rechtskräftig , nachfolgend BVerwG, Beschluss vom 12. 12.2014 - 4 B 4. 17); Urteil vom 20.11.2013 - 9 C 875/12T.

(16) BVerwG, Urteil vom 18. 12.2014 - 4 C 35.13; Urteile vom 12. 11.2014 - 4 C 34.13 und 4 C 37.13; Urteile vom 26.06.2014 - 4 C 3.13, LKV 2014, 460 zum Abdruck in BVerwGE vorgesehen und 4 C 2.13, OVG Berlin¬ Brandenburg , Urteil vom 07.10.2014 - 6 A 1.14, LKV 2014, 520; Urteil vom 04.03.2014 - 6 A 7. 14, LKV 2014, 326; Urteil vom 19.09.20 13 - 11 A 4.13, LKV 2013, 557, Urteile vom 14.06.20 13 - 11 A 10. 13, NuR 2014, 284 und 11 A 20.13, NuR 2014, 366; Urteile vom 23.01.2013 - 11 A 1.13, LKV 2013, 182, 11 A 3.13, NuR 2013, 273 (beide aufgehoben durch BVerwG, Urteil vom 26.06.2014, a.a.O.).
(17) So spricht etwas Meister, Flugroutenplanung und allgemeines Planungsrecht , ZLW 2004, 23 von Flugrouten als ,,Luftstraßen"; Mich!, Die Festlegung von Flugrouten nach § 27a Abs. 2 Satz 1 LuftVO, in: ThürVBI 2011, 121 (130) fordert wenigstens de lege ferenda eine möglichst parzellenscharfe Abwägung von GPS-basierten Flugverfahren und de lege lata eine Abwägungskontrolle durch die Gerichte, die einer Kontrolle von Fachplanungsakten gleichkommt.
(18) Sondergutachten des Sachverständigenrats für Umweltfragen (Fn. 1), S. 25.
(19) Hierauf weist Thürmer in Seveso-Richtlinie und Flugrouten , Stoffrecht 2007, 40 ff hin.
(20) HessVGH, Beschluss vom 11.06.2014 - 9 C 1889/12.T, Rn. 40.
(21) Risch, in: Grabherr / Reidt / Wysk, § 27c LuftVG Exkurs, Rn. 8.
(22) SRU-Gutachten (Fn. 1), S. 25, 93.
(23) Bundesverwaltungsgericht , Urteil vom 19.12.2013 -4 C 14.12, BVerwGE 149, 17, Rn. 22.
(24) Hierauf weist bereits BVerwG, Urteil vom 26.11.2003 - 9 C 6/02, BVerwGE 119, 245 = ZLW 2004, 253 hin; vgl Kaienburg / Uhl, Die Planung von Flugverfahren (Ein-) Blick in die Praxis, ZLW 2012, 505 (530).
(25) Kaienburg / Uhl (Fn 21), ZLW 2012, 505 (558 f.).
(26) Kaienburg / Uhl (Fn 21), ZLW 2012 , 505 (558).
(27) Kaienburg / Uhl (Fn. 25), ZLW 2012, 560.
(28) Diese Bezeichnung ist seit dem Streit um die Flugrouten des BER etabliert, vgl. BVerwG, Urteil vom 13. 10.2011 - 4 A 4001.10 u .a., BVerwGE 141, 1 = ZLW 2012, 287 m. Anm. Kaienburg / Uhl.
(29) § 8 Abs. 1 Satz 2 LuftVG.
(30) BVerwG, Urteil vom 13. 10.2011 (Fn. 25) und Urteile vom 3107.2012 - 4 A 5000. 10 u.a., BVerwG E 144, 1 (Rn. 51).
(31) BVerwG, Beschluss vom 18.08.2005 - 4 B 17.05, juri s-Rn. 27; VGH Kassel, Urteil vom 21.08.2009 - 11 C 227.08 u .a., LKRZ 2010, 66,juris-Rn 637.
(32) BVerwG, Urteile vom 31.07.2012 -4 A 5000. 10 u .a., BVerwGE 144, l ; 4 A 6001.11 u.a., NVwZ-RR 2013, 173.
(33) BVerwG, Urteil vom 31.07.2012 -4 A 5000. 10 u .a., BVerwGE 144, 1 (Rn. 46).
(34) BVerwG, Urteil vom 31.07.2012 - 4 A 5000.10. u.a., BVerwGE 144, 1 (Rn. 46), aufgegriffen im Urteil vom 19.12.2013 - 4 C 14.12, BVerwGE 149, 17 (Rn. 16).
(35) Kritisch noch Masing, Rechtsgrundlagen der Flugroutenplanung, l+E 2011, 270 (279 f.).
(36) Wöckel, Festlegung von Flugverfahren, Berlin 2013, S. 150 und 216 und insgesamt zum Verhältnis von Planfeststellung und Flugverfahren S. 114-153.
(37) S.o. Fn. 1.
(38) BVerwG, Urteil vom 18.12.2014 - 4 C 35.13 (Pressemitteilung Nr. 85/2014 des BVerwG); Urteile vom 12.11.2014 - 4 C 34.13 und 4 C 37.13 (Pressemitteilung Nr. 47/2014 des BVerwG); Urteile vom 26.06.2014 - 4 C 2.13 und 4 C 3.13, LKV 2014, 460 ; hierzu Anmerkung von Külpmann, juris-PR 20/2014 ; Urteil vom 19.12.2013, BVerwGE 149, 17; hierzu Herrmann, Vom Bär zum BER - Neues zu den Flugrouten, in: DVB1 2014, 813.
(39) Pressemitteilung der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland vom 31.05.2013, http: //ec.europa.eu /deutschland /press/ pr releases/11426 de.htm.
(40) BVerwG, Urteil vom 19.12.2013, BVerwGE 149, 17; Urteil vom 26.06.2014 - 4 C 3.13; Urteil vom 12.11.2014 - 4 C 34.13.
(41) EuGH, Urteil vom 17.03.2011 -Rs. C 275/09, Brussels Hoffedstedelijk Gewest, ZLW 2011, 600.
(42) Hierfür dürfte nicht zuletzt einen Ausschlag gegeben haben, dass das BVerwG, bevor es über Flugverfahren zu entscheiden hatte, für eine andere, nicht unähnliche Konstellation, die Zulassung von militärischen Tiefflügen über FFH-Gebieten zuvor bereits entschieden hatte, dass diese ein Projekt im Sinne des FFH-Rechts darstellten und dieser Begriff weit und auswirkungsbezogen auszulegen sei, BVerwG, Urteil vom 10.04.2013 - 4 C 03.12, BVerwGE 146, 176.
(43) BVerwG , Urteil vom 19.12.2013 -4 C 14.12, BVerwGE 149, 17.
(44) BVerwG, Urteil vom 12.11.2014 - 4 C 37.11, Pressemitteilung Nr. 47/2014.
(45) OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.09.2013 - 11 A 4.13, LKV 2013, 557.
(46) Anders war dies für die Nachtzeit, wo sich während des Prozesses noch Verbesserungsmöglichkeiten zeigten, die vom BAF aufgegriffen wurden; vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.09.2013 - 11 A 4.13, LKV 2013, 557.