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Innovative Flugverfahren

Chancen und Grenzen

Wie viel Fluglärm am Boden ankommt, hängt wesentlich davon ab, welches Flugzeug eingesetzt und welches Flugverfahren angewendet wird. Die Deutsche Flugsicherung sowie die deutschen Fluggesellschaften und Flughäfen arbeiten seit Jahren gemeinsam daran, Flugverfahren zu optimieren, damit die Anwohner – wo immer dies möglich ist – entlastet werden.

 Innovative Flugverfahren

Ein Weg, die Menschen im Flughafenumfeld von Lärm zu entlasten, sind innovative Flugverfahren – zum Beispiel durch weniger Schubkraft der Triebwerke, durch Veränderungen der Flughöhe oder durch das Umfliegen von dicht besiedelten Gebieten. Die Deutsche Flugsicherung arbeitet gemeinsam mit Fluggesellschaften und Flughäfen intensiv an innovativen Flugverfahren und untersucht deren Wirksamkeit bei der Reduzierung von Lärm. Einige dieser Verfahren sind weit entwickelt und werden an einzelnen Flughäfen schon angewandt. Bei anderen wird gerade erst erprobt, ob sie praxistauglich sind und eine wirkliche Entlastung bringen.

Es gibt keinen Königsweg #es-gibt-keinen-koenigsweg

Jeder Flughafen ist anders, darum lassen sich die Erfahrungen an einem Standort nur bedingt auf andere Flughäfen übertragen. Welche Gebiete sich in welchem Umfang durch innovative Flugverfahren entlasten lassen, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab: von der Besiedlung im Flughafenumland, von der Verkehrssituation, vom Wetter sowie vom technischen Ausrüstungsstand der Flughäfen und Flugzeuge. All diese Einflussfaktoren entscheiden darüber, ob und welche lärmmindernden Flugverfahren am jeweiligen Standort geflogen werden können.

Hinzu kommt: Was die Einen entlastet, kann unter Umständen Andere belasten. Außerdem kann nicht jedes Flugverfahren zu jeder Tageszeit an jedem Flughafen angewandt werden. Vor allem aber muss jedes Flugverfahren sicher zu fliegen sein und darf die gesetzlichen Vorgaben der flüssigen Verkehrsabwicklung und damit die Kapazitätsvorgaben eines Flughafens nicht beeinträchtigen. Es gibt also viele Faktoren, die dem Einsatz von neuen Flugverfahren Grenzen setzen.

Lärmverteilung bei steilerem Abflugwinkel #laermverteilung-bei-steilerem-abflugwinkel

GBAS: Landung mit steilerem Anflugwinkel #versuche-mit-steilerem-anflugwinkel

Das gleiche Prinzip greift auch beim Landen: Ist der Anflugwinkel und damit der Abstand zu Wohngebieten erhöht, reduziert sich dort der Schall, der am Boden ankommt. Bislang sind vor allem Instrumentenlandesysteme (ILS) als technische Anflughilfe im Einsatz. Diese am Flughafen installierte Technik unterstützt Piloten dabei, ihre Maschinen bei jedem Wetter präzise zu landen. Dabei müssen die Piloten rund 18 Kilometer vor der Landebahn das Flugzeug auf die Endanfluglinie steuern, wodurch sie in gerader Linie direkt auf die Landebahn zufliegen.

Als erstes internationales Drehkreuz nahm der Frankfurter Flughafen Anfang September 2014 sein satellitengestütztes Anflugsystem GBAS (Ground Based Augmentation System) in Betrieb. Die Kosten für den Aufbau der Bodenstation hat der Betreiber Fraport mit rund fünf Millionen Euro beziffert. Lufthansa und die Deutsche Flugsicherung beteiligten sich als Partner. Herkömmliche Instrumentenlandesystem (ILS) erlauben Anflüge im Winkel von 3,0 Grad. Mit dem neuen System können Flugzeuge in einem steileren Winkel von 3,2 Grad die Landebahn ansteuern. Dadurch kann der Flughafen präziser und steiler angeflogen werden und es könnte leiser werden.

Für Mainz heißt das: Flugzeuge überfliegen die Gegend etwa 60 Meter höher. Das Gleiche gilt für Offenbach. Auch bei diesem Verfahren gilt: In den Gemeinden, die direkt unter der Anflugroute liegen, wird es leiser, in den seitlich zur Anflugroute gelegenen Gemeinden kann es lauter werden.

Bislang verfügen moderne Großraumflugzeuge wie die A380, die A350 und die Boeing 747-8 über die entsprechende bordseitige Ausrüstung.

Höhengewinn durch steileren Anflugwinkel #hoehengewinn-durch-steileren-anflugwinkel

Ein steileres Anflugverfahren reduziert Fluglärm durch Höhengewinn

Quelle: forum flughafen & region - Gemeinnützige Umwelthaus GmbH

Mit dem kontinuierlichen Sinkflug Fluglärm reduzieren #kontinuierlichenr-sinkflug

Beim Landen entscheidet neben dem Anflugwinkel auch die Schubkraft darüber, wie viel Lärm am Boden ankommt. Je mehr Schub ein Flugzeug benötigt, umso höher ist die Drehzahl der Triebwerke und umso mehr Lärm entsteht. Beim kontinuierlichen Sinkflug wird daher versucht, den Schub auf ein Minimum zu reduzieren und das Flugzeug in einer Art Gleitflug landen zu lassen. Fluglärm kann damit in einem Bereich von 18 bis 55 Kilometern vor der Landebahn um bis zu 5 dB(A) verringert werden.

Was einfach klingt, ist in der Praxis gar nicht so leicht umzusetzen: An großen Flughäfen starten und landen in der Regel viele Flugzeuge gleichzeitig. Ihre Wege können sich dabei kreuzen. Dies erfordert mitunter, dass Piloten auf Anweisung des Fluglotsen kurzfristig ihren Sinkflug unterbrechen, Schub geben und horizontal weiterfliegen, um den notwendigen Sicherheitsabstand zu anderen Maschinen in der Umgebung nicht zu unterschreiten. Außerdem müssen die Sicherheitsabstände zwischen Flugzeugen, die im kontinuierlichen Sinkflug landen, gegenüber den üblichen Abständen zeitweise erhöht werden, da sie je nach Flugzeugtyp im Gleitflug unterschiedlich schnell an Höhe verlieren. Das hat zur Folge, dass das Flugverfahren in verkehrsstarken Zeiten nicht geflogen werden kann. An den Flughäfen Hamburg, Hannover, Leipzig/Halle, Köln/Bonn, Nürnberg, München, Stuttgart, Düsseldorf, Berlin und Frankfurt wird dieser kontinuierliche Sinkflug (Continous Descent-Operations (CDO)-Verfahren) bei entsprechender Verkehrslage bereits in der betrieblichen Praxis angewandt.

Weniger Fluglärm durch kontinuierlichen Sinkflug #weniger-fluglaerm-durch-kontinuierlichen-sinkflug

Kontinuierlicher Sinkflug anstatt stufenweiser Höhenminderung vermeidet Lärmbelastung

Quelle: Deutsche Flugsicherung

Reißverschlussverfahren in der Luft #reissverschlussverfahren-in-der-luft

Beim sogenannten Point Merge-Flugverfahren führen Fluglotsen anfliegende Flugzeuge bereits in großer Höhe in eine Art Trichter und geben sie dort für den Landeanflug frei. Das unterscheidet dieses Flugverfahren vom konventionellen Landeverfahren, bei dem Flugzeuge aufgereiht wie auf einer Perlenkette hintereinander einfliegen. Mit dem Trichterprinzip können komplexe Verkehrsströme entzerrt und vereinfacht werden, die Flugzeuge können mit weniger Sprechfrequenz durch den Fluglotsen gesteuert werden. Das ermöglicht es, das kontinuierliche Sinkflugverfahren innerhalb des Trichters wesentlich häufiger anzuwenden. Für die Piloten heißt das, dass sie im Gegensatz zur Horizontalflugphase  weniger Schub geben müssen. Dadurch können Fluglärm und CO2- Emissionen reduziert werden. Aufgereiht werden die Flugzeuge erst kurz vor dem Endanflug auf die Landebahn in einem Verfahren, das dem Reißverschlussprinzip im Straßenverkehr ähnelt.

Auch bei diesem Verfahren gilt: Während einige Gebiete von Lärm entlastet werden, kann das Verfahren zur Zunahme von Lärm in anderen Bereichen führen, insbesondere im Bereich des Trichters. Point Merge ist ein technisch anspruchsvolles Flugverfahren. In der Vergangenheit gab es einen Testbetrieb unter anderem am Flughafen Leipzig/Halle.

Weniger Fluglärm durch das Kanalisieren von Anflügen #weniger-fluglaerm-durch-das-kanalisieren-von-anfluegen

Kanalisierte Anflüge reduzieren Fluglärm durch Einflugtrichter mit kontinuierlichem Sinkflug und Merge Point

Quelle: Deutsche Flugsicherung

Mit dem segmentiertem Anflug dicht besiedeltes Gebiet umfliegen #segmented-approach

Darüber hinaus testet der Flughafen Frankfurt das Pilotenassistentensystem LNAS (Low Noise Augmentation System), welches vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt wird. Das System zeigt den Piloten den optimalen Zeitpunkt zum Ausfahren der Landeklappen und des Fahrwerks sowie die wirtschaftlichste Fluggeschwindigkeit an. Damit kann nicht nur der Fluglärm unterhalb der Anflugroute um bis zu 1,5 Dezibel, sondern auch der Kraftstoffverbrauch in der letzten Flugphase um bis zu 20 Prozent verringert werden.

Der Flughafen Frankfurt ermöglicht seit Anfang 2012 für verspätete Flüge das sogenannte segmentierte Anflugverfahren: Flugzeuge, die ausnahmsweise mit einer Sondergenehmigung nach 23 Uhr landen müssen, schwenken erst deutlich später auf die Anfluggrundlinie ein. Damit können einige Ortschaften wie Offenbach oder Mühlheim sowie bei Ostwetterlage Mainz entlastet werden, die unter den tagsüber intensiv genutzten Anflugrouten liegen.

Weniger Fluglärm durch das Umfliegen besiedelter Gebiete #weniger-fluglaerm-durch-das-umfliegen-besiedelter-gebiete

Fluglärm wird reduziert durch segmentierte Anflüge und durch Vermeidung von Überflügen über dicht besiedelte Gebiete

Quelle: forum flughafen & region - Gemeinnützige Umwelthaus GmbH | Kartenmaterial: OpenStreetMap.org

Lärmpausen für besonders belastete Gebiete #laermpausen-fuer-besonders-belastete-gebiete

Flughäfen mit mehreren Startbahnen können den Flugverkehr temporär auf bestimmten Bahnen konzentrieren und so Gebiete für ein festgelegtes Zeitfenster von Fluglärm entlasten.

Seit Februar 2016 werden am Flughafen Frankfurt freiwillig siebenstündige Lärmpausen durchgeführt. Ziel ist, über das bestehende sechsstündige Nachtflugverbot hinaus, regelmäßige siebenstündige Lärmpausen durch abwechselnden Verzicht der Nutzung einzelner Bahnen in den Tagesrandzeiten von 22 Uhr bis 23 Uhr sowie von 5 Uhr bis 6 Uhr zu erreichen. Dadurch können jeweils ein Teil der Anwohner im Zeitraum von 22 Uhr bis 5 Uhr, ein anderer Teil von 23 Uhr bis 6 Uhr entlastet werden. Dadurch soll eine weitere Lärmentlastung für die Anwohner im Nahbereich erreicht werden. Das Modell wurde vorerst nur für die Hauptbetriebsrichtung West erarbeitet, wobei jeweils maximal zwei von drei Landebahnen genutzt werden dürfen. Eine Lärmentlastung für die Betriebsrichtung Ost konnte aufgrund der Besiedlungsstruktur im Westen des Flughafens nicht erreicht werden, weshalb das Lärmpausenmodell nur bei Westbetriebsrichtung Anwendung findet.

Weniger Fluglärm durch freiwillige siebenstündige Lärmpausen #weniger_fluglaerm_durch_freiwillige_siebenstuendige_laermpausen

freiwillige siebenstündige Lärmpausen

Quelle: Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung |Kartenmaterial: Openstreetmap.org

Zusätzlich zu dem Lärmpausenmodell führt der Flughafen Frankfurt das Verfahren DROps early morning (Dedicated Runway Operations) zur Lärmminderung im Abflugbereich durch, wobei lediglich eine bevorzugte Startbahn und Abflugroute für die Betriebsrichtung 07 (Ostbetrieb) in der Zeit von 5 Uhr bis 6 Uhr benutzt werden darf.

Verteilen von Fluglärm von 5 bis 6 Uhr bei Ostwetterlage #verteilen-von-fluglaerm-von-5-6-uhr-bei-ostwetterlage

Ostwetterlage: Offenbach wird an ungeraden Tagen kaum umflogen

Unterschiedliche Abflugrouten bei Ostwetterlage am Flughafen Frankfurt teilen Fluglärmbelastung auf

Quelle: forum flughafen & region - Gemeinnützige Umwelthaus GmbH | Kartenmaterial: OpenStreetMap.org

Die Deutsche Flugsicherung, Fluggesellschaften und Flughäfen arbeiten also intensiv an innovativen Flugverfahren, um die Belastung der Bevölkerung durch Fluglärm zu reduzieren. Viele dieser Verfahren befinden sich in der Entwicklung oder in der Erprobung an einzelnen Flughäfen. Ob sie tatsächlich geeignet sind, eine deutliche Verbesserung für die Anwohner zu bringen, werden die Tests zeigen. Doch schon jetzt ist klar: Eine One-size-fits-all-Lösung für alle Flughäfen und für alle Tageszeiten wird es nicht geben. Für jedes innovative Flugverfahren gelten bestimmte Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit es angewandt werden kann. Und bei jedem Verfahren muss sorgfältig abgewogen werden, ob es neben den erhofften Vorteilen auch Nachteile gibt – wie zum Beispiel Menschen, die dadurch neu von Lärm betroffen sind.

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