Weniger Lärm an Oberfläche, Flügeln und Fahrwerk
Flugzeuge verdrängen beim Fliegen große Luftmassen. Schon kleinste Unebenheiten an der Flugzeugoberfläche, wie Ritzen und Kanten, verwirbeln die Luft, wodurch Lärm entsteht. Auch an Flügeln und Fahrwerk werden erhebliche Luftmengen verwirbelt. Die Luftfahrt arbeitet daran, den Umströmungslärm zu reduzieren, zum Beispiel durch den Einsatz von speziellen Flügelspitzen.
Öffnungen, Spalten und Fugen am Flugzeug erzeugen beim Fliegen Luftverwirbelungen, die zu Druckschwankungen führen. Bei Start und Landung kommen sie am Boden als Lärm an. Sogar der Reibungswiderstand an der Außenhaut der Maschine erzeugt Fluglärm, jedoch macht das einen vergleichsweise kleinen Anteil der Lärmemissionen aus. Industrie und Wissenschaft arbeiten daran, einzelne Komponenten am Flugzeug so zu verbessern, dass Luft leichter an ihnen vorbeiströmt und dadurch weniger Lärm entsteht. Einige der Innovationen befinden sich noch in einem frühen Entwicklungsstadium, andere sind längst serienfähig.
Airbus A320: Wirbelgeneratoren reduzieren Lärm #flugzeugoberflaeche-wirbelgeneratoren-lenken-laerm-um
Spezielle Töne, die beim Kurz- und Mittelstreckenflugzeug Airbus A320 auftreten, ließen sich lange Zeit nicht erklären. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) konnte die Lärmquelle aber identifizieren: An den Tankdruckausgleichsöffnungen an der Flügelunterseite entstanden zwei störende Töne, weil im Flug Luft angeströmt wurde, als blase man Luft über eine Glasflasche. Daraufhin hat das DLR gemeinsam mit Lufthansa Wirbelgeneratoren entwickelt und erfolgreich erprobt. Diese erzeugen sogenannte Längswirbel, die den Luftstrom über den Öffnungen so ändern, dass die Töne nicht mehr entstehen können. Das endgültige Design der Wirbelgeneratoren wurde von Airbus im Jahr 2013 definiert.
Weniger Fluglärm durch Wirbelgeneratoren #weniger-fluglaerm-durch-wirbelgeneratoren
Wirbelgeneratoren lenken den Luftstrom an den Tankdruckausgleichsöffnungen ab
Messungen am Flughafen Frankfurt zeigen, dass der Einbau der Wirbelgeneratoren im Landeanflug zu einer Reduzierung des Gesamtschallpegels um bis zu vier Dezibel führt. Der Effekt ist umso größer, je weiter das Flugzeug noch vom Flughafen entfernt ist. Dies liegt daran, dass auch ausgefahrene Landeklappen den Luftstrom so umleiten, dass am betroffenen Tankdeckel kaum noch Lärm entsteht.
Lärmminderung bei der Landung durch Wirbelgeneratoren #laermminderung_durch_den_einsatz_von_wirbelgeneratoren
Im Oktober 2013 hat Lufthansa angekündigt, den Großteil ihrer Kurz- und Mittelstreckenflotte mit den Wirbelgeneratoren auszustatten. Seitdem hat die Fluggesellschaft bereits alle Maschinen der A320-Familie mit Wirbelgeneratoren ausgerüstet. Auch die gesamte Airbus-A320-Flotte von Condor ist mit den Wirbelgeneratoren ausgestattet. Neuauslieferungen dieser Flugzeugfamilie sind bereits standardmäßig mit Wirbelgeneratoren ausgestattet. Wieviel dies ausmacht, verdeutlicht das folgende Tonbeispiel der Silent Aircraft Initiative am CMI, einer gemeinsamen Einrichtung der Universität Cambridge und des Massachusetts Institute of Technology.
Flügelspitzen: Winglets sorgen indirekt für weniger Lärm #fluegelspitzen-winglets-sorgen-indirekt-fuer-weniger-laerm
Flugzeuge können fliegen, weil über und unter den Tragflächen unterschiedlicher Luftdruck entsteht. Dabei kommt es vor allem an den Flügeln zu Luftverwirbelungen. Wissenschaftler arbeiten bereits seit den 1970er Jahren daran, den dadurch bedingten Luftwiderstand zu reduzieren. Denn je höher der Luftwiderstand ist, desto mehr Energie muss aufgewendet werden, um zu fliegen. Eine Lösung für das Problem sind nach oben gebogene Flügelspitzen. Ingenieure haben sie auf den Namen Winglets – oder auch Sharklets – getauft. Die Grafik verdeutlicht den Unterschied zwischen herkömmlichen geraden Flügelenden und Winglets.
Solche Flügel sind seit Ende der 1990er Jahre zugelassen. 2001 war Air Berlin eine der ersten Fluggesellschaften, die eine Boeing 737-800 mit solchen Flügelspitzen im Linienverkehr eingesetzt hat. Damals fielen die 2,4 Meter hohen Flügelspitzen auf, heute sind sie ein gewohnter Anblick. Die Winglets sind bei einigen Modellreihen von Airbus und Boeing mittlerweile Standard. Auch die neuesten Flugzeuge vom Typ A320neo werden standardmäßig mit den gebogenen Flügelspitzen ausgeliefert. Zudem haben die Fluggesellschaften viele Flugzeuge aus ihren Bestandsflotten nachgerüstet. So hat Condor ihre gesamte Boeing-Flotte mit Winglets ausgestattet und TUIfly ihre 737-Flotte.
Die Entlastung ist messbar. Zwar ändert sich durch die Flügelspitzen nicht direkt die Lärmemission des Flugzeugs. Beim Start einer Boeing 737 mit Winglets ist der Lärmteppich aber dennoch um 6,5 Prozent kleiner gegenüber der Variante mit herkömmlichen Flügelspitzen. Der Grund: Aufgrund des geringeren Luftwiderstands kann das Flugzeug die gleiche Geschwindigkeit mit weniger Schubkraft erreichen. Und weniger Schubkraft bedeutet weniger Lärm vom Triebwerk. Winglets senken nicht nur die Lärmemissionen, sondern auch den CO2-Ausstoß des Flugzeugs.
Haifischhaut: Rillen im Lack mindern Lärm #haifischhaut-rillen-im-lack-mindern-laerm
Neben den Vögeln, deren Flügel Vorbild für die gebogenen Flügelspitzen sind, gibt es eine weitere Tierart, die Modell für die Verringerung des Luftwiderstands eines Flugzeugs steht: Haie. Sie sind auch deshalb so schnelle Schwimmer, weil die Rillenstruktur ihrer Haut verhindert, dass bremsende Wasserverwirbelungen entstehen. Dieses Prinzip soll auch auf die Oberfläche von Flugzeugen übertragen werden.
Lufthansa Technik und BASF haben dafür die Oberflächenbeschichtung "AeroSHARK" entwickelt. Diese Beschichtung kann wie eine Folie aufgeklebt werden und sorgt mit einer sogenannten Riblet-Struktur für haifischhautähnliche Flugzeugoberflächen. Die Riblet-Struktur besteht aus rund 50 Mikrometer großen Rippen, die den Reibungswiderstand verringern und dadurch Kraftstoffverbrauch und Luftgeräusche reduzieren.
Aktuell ist die "AeroSHARK"-Beschichtung für die Boeing 777, das meistgenutzte Langstreckenflugzeug, zugelassen. Die Airlines Lufthansa Cargo und Swiss haben bereits 16 Flugzeuge aus ihren Langstreckenflotten mit der Beschichtung ausgestattet. Durch die haifischähnliche Oberfläche wird eine Kraftstoffersparnis von einem Prozent erwartet. Zudem sorgen die feinen Rillen im Lack der Flugzeuge für weniger Lärm an Oberfläche, Flügeln und Fahrwerk.
Weniger Fluglärm durch künstliche"Haifischhaut" #weniger-fluglaerm-durch-kuenstliche-haifischhaut
Gerillte Oberflächenstrukturen weisen eine bessere Aerodynamik auf
Quelle: Lufthansa Technik
Flügel-Vorderkante: Kippnasen für weniger Lärm #fluegel-vorderkante-kippnasen-fuer-weniger-laerm
Industrie und Forschung haben auch untersucht, wie sich Lärm an den Vorflügeln reduzieren lässt. Vorflügel sind bewegliche und normalerweise verborgene Teile an den Tragflächen. Sie werden bei Start und Landung ausgefahren, um den nötigen Auftrieb beziehungsweise die Bremswirkung zu unterstützen. Zwischen den Vorflügeln und den eigentlichen Flügeln öffnet sich dabei ein Spalt, der Luftverwirbelungen hervorruft – und damit Lärm.
Das DLR hat den herkömmlichen, separaten Vorflügel zu einer Art Kippnase weiterentwickelt. Sie ist Teil der Tragfläche. Als solche kann sie sich verformen und vom Piloten um bis zu 20 Grad gesenkt werden. Das Material für eine solche Kippnase muss mehrere Eigenschaften erfüllen: Auf der einen Seite muss es elastisch sein, damit es bewegt werden kann. Auf der anderen Seite muss es trotzdem sehr stabil sein, denn bei der Landung tragen die Vorderflügel immerhin rund ein Drittel des Flugzeuggewichtes. Darum wurde in intensiven Tests untersucht, ob das Material diesen Ansprüchen gerecht wird.
Die Wissenschaftler erwarten, dass sich der Luftwiderstand mit der Kippnase um bis zu 12 Prozent verringern lässt. Dieser Effekt entsteht durch Wegfall des Spaltes, der beim Ausfahren herkömmlicher Vorflügel entsteht. Dadurch entstehen deutlich weniger Wirbel und Lärm. Mittlerweile ist diese Technologie beim A380 sowie bei dem A350 XWB im Einsatz.
Vorflügel: Bürsten zerteilen den Luftstrom #vorfluegel-buersten-zerteilen-den-luftstrom
Einen weiteren Ansatz, Lärm an den Vorflügeln zu verringern, bietet die sogenannte Bürstenlösung. Forscher des DLR untersuchen derzeit, wie sich die beim Ausfahren der Vorflügel entstehenden Luftverwirbelungen minimieren lassen. Bei der Bürstenlösung strömt die Luft nicht mehr über eine Kante, sondern wird von Bürstenhaaren in viele kleine Luftströme zerteilt. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich der Fluglärm so um bis zu 4 Dezibel senken lässt.
Fahrwerk: Verkleidung reduziert Fluglärm #fahrwerk-verkleidung-reduziert-fluglaerm
Eine weitere Flugzeugkomponente, an der Industrie und Wissenschaft Luftwirbel vermeiden wollen, ist das Fahrwerk. Aus Sicherheitsgründen müssen Piloten das Fahrwerk teilweise schon Minuten vor der Landung ausfahren. Zudem unterstützt das ausgefahrene Fahrwerk den Piloten dabei, das Flugzeug abzubremsen. Weil das Fahrwerk aus vielen unterschiedlich geformten Einzelteilen besteht, gibt es dort zahlreiche Ritzen und Kanten. An diesen bilden sich Luftwirbel, die am Boden als Lärm wahrgenommen werden. Die DLR-Experten erforschen Möglichkeiten, Fluglärm am Fahrwerk durch einen Windschutz zu minimieren. Vergleichsmessungen zeigen, dass damit die Lärmemissionen um etwa 5 Dezibel verringert werden können.